Münchner Merkur |
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Hochdekorierte
Klang-Orgie mit Maestro Karajan |
Im zweiten Jahr: die monumentale Salzburger „Aida" |
Wer jetzt, bei der Wiederaufnahme dieser „Aida“, die
Aufführung zum zweitenmal besuchte, konnte die Erfahrung machen, daß sich der
Bühne gegenüber eine gewisse Gleichgültigkeit einstellte. Daß das Auge immer
wieder von der Szene weg in den Orchestergraben wanderte zu Maestro Karajan,
dem mit den Wiener Philharmonikern eine exemplarische Aufführung gelang. Sie hatte äußerste dramatische Kraft,
atemraubenden musikalischen Impuls, war von erlesener lyrischer Zartheit. Die
Einleitung des ersten Aktes geriet zu einem Wunder an melodischer Geschmeidigkeit,
die zum Nil-Akt glitzerte geradezu impressionistisch. Karajan fächerte in solchen
Passagen den Klang raffiniert auf, ohne die Partitur in Partikelchen zu
zerlegen. Blitzartig und trocken kamen die Orchesterschläge,
die ja zu den erregendsten Mitteln von Verdis Musiksprache gehören. Äußerste
Dringlichkeit in der Führung der Arien und der Ensembles — Karajan erreichte damit
einen Zuhörer-Zwang, der, was gewiß nicht seine Absicht war, seine
Inszenierung glatt zur Nebensache machte. Es gehört zu den schwer verständlichen Zügen
Karajans, daß seine musikalische Intelligenz gepaart ist mit künstlerischer
Naivität. Denn naiv ist es doch, die von Verdi ohnedies prunkvoll komponierte
Triumph-Szene durch die Aufstellung der Trompeter im Zuschauerhaus zu einer schneidenden
Klang-Orgie zu machen. Naiv natürlich auch, zu glauben, je monumentaler die Szene,
um so großartiger sei der Eindruck. Will Karajan da ein Riese sein? Die
gibt‘s doch nur im Märchen und sie sind nicht gerade die Klügsten. Neu im Ensemble: Ruza Baldani als Amneris. Eine
attraktive Erscheinung, leidenschaftlich im Ausdruck. Neu auch Ruggero
Raimondi als Ramphis. Er sang die Partie mit rauhem Baß, machte dazu ein
schrecklich belämmertes Gesicht. Mimik ist nun mal nicht seine Stärke. José Carreras gelang der Radames diesmal
stimmlich besser als im vergangenen Jahr. Die Kunst, im Piano vorzutragen,
hat er allerdings noch nicht gelernt. Gesangstechnisch blieb er weit hinter
Mirella Freni zurück deren Aida mit hochdifferenziertem Ausdruck gestaltet
war und die überwältigend schöne Spitzentöne brachte. Piero Cappuccilli: ein
heftiger, stimmprächtiger Amonasro. Beifall
über Beifall. Auch für die exzellent musizierenden Philharmoniker und den
Chor (Walter Hagen-Groll). |
Hans Göhl |