Kurier Wien |
Andrea Seebohm aus Salzburg |
Große Prunkoper und statisches Oratorium zugleich |
„Aida“-Reprise unter Karajan |
Man mag die inszenatorische Gigantomanie des
Triumph-Aktes in Salzburg belächeln, man mag die klanglichen
Vervielfältigungen von den Seitenbühnen her — seien es nun die unsichtbaren,
aber laut (und nicht immer schön) vernehmlichen Chor-Herren, seien es die
dekorativ zu beiden Seiten postierten schmetternden Trompetisten —übertrieben
finden. Dem gewaltigen Eindruck dieser pompösen, aber nie gelackten
Orientshow entzieht sich keiner. Und außerdem: Natürlich stand Meyerbeer bei
„Aida", dieser ägyptischen Prunkoper, Pate. Was leider abhanden kommt im Verlauf dieser
Aufführung, ist der menschliche und seelische Konflikt der Verdi-Helden, ist
die dramatische Auseinandersetzung zwischen den Figuren. Das statische Spiel,
das Regisseur Karajan so liebt, steht da in völligem Kontrast zu seiner
tiefen musikalischen Charakterisierung und Emotionalisierung. Wo durch ihn
das Feuer der Leidenschaften im Orchester auflodert, wo sich die Starsänger
schier die Seele aus dem Leib singen, wird jedes Gefühl, jeder Ausdruck,
jeder Liebes- oder Racheschwur sofort wieder relativiert und neutralisiert
durch das Fehlen der schauspielerischen Dimension. Kurz: Wenn Karajan die
Massen auffahren läßt, ereignet sich große kulinarische Oper — wenn die
eigentliche Handlung beginnt, erstarrt alles im Oratorienhaften. Dem Liebespaar Radames und Aida etwa sind
keinerlei Zärtlichkeiten gegönnt. Nicht einmal in seiner Todeskammer darf der
junge Feldherr seine Geliebte einmal in die Arme schließen. Stur
nebeneinander stehend sterben die beiden — kein Blick, kein Händedruck. kein
Aneinander-Anlehnen oder Festhalten kündet vom Schmerz, der Verzweiflung, der
Verklärung dieses Liebestodes. Als "eitlen militärischen Fachidioten und
Meister der gefühlsbetonten Ungeschicklichkeit“ hat Karl Schumann im
Programmheft Radames hübsch charakterisiert. Das wäre vielleicht ein
Ansatzpunkt für José Carreras gewesen. Doch der spanische Tenor begnügte sich
mit der Rolle des traurigen, passiven Liebhabers, trat auf, stand herum und
tat gar nichts. In seiner Stimme freilich war Heldisches und Zärtliches
zugleich: Carreras ist in dieser Partie seit dem Vorjahr enorm gewachsen.
bewältigt sein „Celeste Aida“ souverän, hat Kraft für die Spitzentöne, die
vielleicht nicht immer strahlen, aber mit höchstem Ausdruck gesungen werden. Neben ihm wieder Mirella Freni, die wunderbare Aida.
Ihr gelang stimmlich einfach alles: Schwebende Piani, strahlende Spitzentöne
in den großen Ensembles, tief traurige Ausdrucksschattierungen, innige
Legatokultur. Ein herrliches "Nil-C" nicht pianissimo (wer hat das
schon?), aber im weichen Mezzoforte gesungen, krönte diese Superleistung.
Ruza Baldani ist heuer die Amneris: Im Ausdruck vielleicht etwas zu
unbestimmt, in der Gerichtsszene am Ende ihrer Kraft, gefiel sie doch durch
schönes dunkles Timbre, gesangliche Souveränität und ideale Erscheinung. Prachtvoll
der Amonasro Piero Cappuccillis, stocksteif der Ramphis, Ruggero Raimondis,
passabel der König Agostino Ferrins. Über allem aber Karajan und die herrlich
musizierenden Philharmoniker, die Verdis Partitur zum Glühen brachten. |
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