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Neue Kronen Zeitung, Wien, Aufführung 27. August 1980

Nach dem Idealmaß des Maestros

Salzburg:   Verdi, Karajan, Berliner Philharmoniker

VON MEINHARD RODENAUER

Hier sind sie wieder, die Berliner Philharmoniker. Alljährlicher Pflichtbesuch bei den Salzburger Festspielen und beim "Chef" Herbert von Karajan. Im ersten Konzert führten sie Verdis "Messa da Requiem" auf. Fabelhaft. Mit allerzartestem Pianissimo setzt das Orchester ein, dann folgen 90 Minuten Musizieren in wunderbarer Übereinstimmung.

 

Zumindest was den Orchesterpart betraf. Karajan muß da nicht einmal ganz aus der Reserve herausgehen. Sie sind so wunderbar zusammengespielt: diese Musiker kennen den kleinsten Wunsch des Maestros. In diese Harmonie sich einzufügen, fällt den Sängern —Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und Chor der Nationaloper Sofia — nicht leicht. Auch nicht den Stars im Solistenquartett. Bei aller Intensität und aller Einsatzbereitschaft.

 

Mit dramatischer Ausdruckskraft und grandioser Leidenschaftlichkeit trumpft Mirella Freni auf. Agnes Baltsa phrasiert klar und innig die Melodienlinien, stimmt ideal ihre Interpretation auf den edlen Orchesterklang ab. Theatralisch und kernig, doch eine Spur weniger edel und weniger musikalisch sicher geführt ertönt Ruggero Raimondis Baß. Und Startenor José Carreras müht sich merkbar ab. Er erzielt dann die stärkste Wirkung, wenn er sich im Alleingang bewegen darf. Im Ensemble stört gelegentlich seine Intonationsunsicherheit. Und noch sucht er für seine Stimme nach der richtigen Klangfarbe für diese Partie.

 

Endloser Jubel für Karajan, der soeben die Clemens-Krauss-Medaille des Staatsopernchors erhalten hat, die Sänger und die Berliner Philharmoniker. Wie gewohnt. Der große alte Mann hat seine Scharen auf der Bühne und im Zuschauerraum sicher im Griff.