Münchner
Allgemeine Zeitung, Aufführung 26. Juli 1979 |
Viel Pomp um nichts
und die Sänger mogeln |
Eröffnung mit Herbert
von Karajans “Aida”-Inszenierung |
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Es soll immer noch Optimisten geben, die meinen, wenn
sich ein Opernregisseur hartnäckig über die Jahre hinweg an dem Glauben
festklammert, er sei einer, da müsse doch irgendwann einmal der Erfolg
kommen. Die Rede ist von Herbert von Karajan und seiner “Aida”-Produktion,
mit der die Salzburger Festspiele eröffnet wurden. Mit Hand angelegt haben an
die Verdi-Oper, die im übrigen zum erstenmal überhaupt in der Geschichte der
Salzburger Festspiele auftaucht, der Bühnenbildner Günther
Schneider-Siemssen. Georges Wakhevitch (Kostüme), John Neumeier als Choreograph,
die Wiener Philharmoniker, die Chöre der Wiener Staatsoper und der
Nationaloper Sofia und noch der Salzburger Kammerchor (Walter Hagen-Groll). Mit Erfolg meine ich nicht die Reaktion
des Publikums. Man braucht nur die Eintrittspreise— so an die 300-Mark-Grenze
pro Platz zu schrauben, dann kann kaum mehr einer öffentlich zugeben, daß er
belanglos gefunden hat, was ihn so teuer zu stehen kam. Zudem treffen sich in
Salzburg Menschen, denen Karajans restaurativer, ja reaktionärer
Kulturbegriff nicht unsympathisch scheint, macht er doch wenig Arbeit im
Kopf, frönt dem Pomp und der klanglichen wie optischen Gigantomanie, die
bekanntlich in totalitären, imperialen Machtsystemen ganz besonders Anklang
finden. Ein “Aida”-Regisseur müßte sich eigentlich dessen bewußt
sein, daß gerade diese faschistische Komponente zum dramaturgischen Konflikt
dieser Oper gehört, der allerdings gerade in der Auseinandersetzung mit der
Menschlichkeit des Individuums besteht. Wenig davon in Salzburg, wo Schneider-Siemssen,
eigentlich ein Mann mit reichen bühnenbildnerischen Ideen, wie ein schlimmer
Opportunist Karajan zu Willen ist und eine monumentale Breitbandarchitektur
entwirft, die einem Mussolini etwa einen Juchzer des Entzückens entlockt haben
müßte. Da gibt es vor sandgelbem Hintergrund Riesensäulen,
Pyramiden, Fackelständer, ein ägyptisches Badehaus gar, das aus Bangkok importiert
scheint. Es gibt eine Nil- Szene, die etwa 2000 Meter über dem Fluß spielt,
eine Grabkammer, die im Wolkengebräu versinkt. Es gibt als Verlängerung der
Breitwandbühne des Großen Festspielhauses noch seitlich angebaute Architekturteile,
hinter denen sich unsichtbare Chöre zuhauf postieren, wo Fanfaren Im
Stereosound schmettern können. In all diesen gewaltigen Bildern vollzieht sich praktisch
nichts, eine Nullität also. Die Darsteller liefern Routiniertes, und da es
sich bei ihnen meist um Weltklasse-Leute handelt, sind sie irgendwann einmal
in Ihrer Karriere auf einen brauchbaren Regisseur gestoßen, der ihnen das
Notwendigste für diese Rollen beibrachte. Karajan garniert seine Sänger mit
lebloser Statisterie, überläßt die Aktionen im Triumphmarsch dem Choreographen,
der im übrigen Klägliches abliefert und sich Karajans Unfähigkeit damit
leider anpaßt. Daß der Salzburger Maestro seine szenische
Großmannssucht im Alter nun auch noch extrem auf den akustischen Bereich überträgt,
ist die betrüblichste Feststellung dieser Premiere. Dramatik zwingt er ins
Gelärme hinein. Chor und Orchester dürfen mit gewaltigen Lautstärken operieren,
die Lyrik verrutscht manchmal ins Bonbonhafte — dazwischen gibt es grandiose,
aber glatte Stellen, perfekt, äußerlich und kaum irgendwo anrührend, also
großartig unverbindlich. Mit minimalem Aufwand mogelten sich die Sänger durch
die vier Stunden, sichtlich unanimiert und unter Niveau, wie Ruggero Raimondi
(König), )Nicolai Ghiaurov (Ramphis) und Piero Cappuccilli
(Amonasro). José Carreras sang einen anständigen Radames, um
Höhe und Piano erfolgreich bemüht. Mirella Freni debütierte als
Aida: in den lyrischen Stellen von großem Reiz, im ganzen aber ohne jene
Durchschlagskraft, die sie bräuchte, um in dieser Rolle mehr zu sein als bloß
eine interessante Variante. Daß Marliyn Horne allerdings auf der
Bühne als Aida-Rivalin Amneris nur korpulente Fadesse hinterließ, war schon
eine arge Enttäuschung. Wußte sie überhaupt, was sie sang, welche Rolle, was
in dieser Frau mit Namen Amneris vorgeht? Weiß sie, warum sie singt, warum
sie Oper singt? Daß sie sich auf dem Theater befindet? Was Theater ist? In
dieser ideenlosen Aufführung trug sie die Krone. |
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