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Kieler Nachrichten, Aufführung 26. Juli 1979

Üppiger Luxus für Auge und Ohr

Karajan inszeniert und dirigiert “Aida” bei den Salzburger Festspielen

Von Hans Lehmann

Während Wolfgang Wagner in Bayreuth dem Werkstattgedanken mit all seinen Risiken — siehe den diesjährigen “Lohengrin” — frönt, machte Karajan in Salzburg seine Festspiel-,,Aida” mit den besten und teuersten Stimmen und dem derzeit besten Choreographen im deutschsprachigen Bereich zum großen Stimmen- und Ausstattungsfest. Die riesige Bühnenbreite war für Verdis Ägypten noch beidseitig in den Zuschauerraum gezogen worden. Bühnenbildner Günther Schneider-Siemssen schwelgte in Säulenhainen, in orientalischen Badeszenen hinter goldenen Schleiervorhängen beim Ankleiden der ägyptischen Königstochter, in gewaltigen Götterbildern und in Pyramiden, bis hoch hinauf dekorativ mit Volk besetzt.

 

Der Nil schimmerte nächtlich-grün zwischen hellen Wüstenhügeln, und unter einem mächtigen Steinpfad, den die verschmähte Pharaonentochter am Ende traurig entlang wandelte, versank langsam das Grab mit der königlichen Mohrin und ihrem ägyptischen Feldherrn in Erde und Dunkelheit.

 

John Neumeier war aus Hamburg gekommen und sorgte mit Phantasie und solidem Choreographenhandwerk für ordentliche Tempeltänze, machte aus dem Kinderballett des zweiten Aktes einen reizenden unkonventionellen halb modernen Kinder-Pas de deux, ließ das Riesenaufgebot leichtbekleideter ägyptischer Soldaten triumphmarschmäßig im Gleichschritt paradieren und zum Siegesfest den eben beendeten Kampf zwischen Ägyptern und Äthiopiern als Ballett noch einmal über die Szene gehen. Die Kostüme (Georges Wakhevitch) entsprachen dem Pomp der Szenerie.

 

Mag sein, daß man auch aus der “Aida”. Symbolisches und Tiefsinniges herausinszenieren kann. Herbert von Karajan nahm die Handlung bildhaft, wie sie im Libretto steht; es gab keine szenischen Überraschungen. Er inszenierte mit üppiger Geste und verließ sich im übrigen auf den Wohllaut seiner Protagonisten.

 

Mirella Freni, tags zuvor noch leicht indisponiert, sang eine rührende und reine Aida. Kein Primadonnen-Aplomb, und doch kraftvoll und tragend, mit süß träumender Höhe, betörender Zartheit und Innigkeit. Für die im Ärger abgereiste Baldani durfte man Marilyn Horne endlich auch in Salzburg einmal in einer Oper hören. Ganz Primadonna, mit unerhörter Oktavenbreite, gesunder Vitalität und großer erfüllter Pose stellte sie ihre Amneris in bewußten Gegensatz zur mädchenhaften Aida.

 

Der Radames des José Carreras überzeugte mit leichten dem Material, von beherrschender Stimmkraft der Ramphis von Nicolai Ghiaurov, sonor und würdevoll der König von Ruggero Raimondi. Diesen mehr statuarischen Partien stand Piero Cappuccilli als leidenschaftlicher Krieger und Mohrenkönig Amonasro gegenüber.

 

Den Superlativen ist leider auch hin und wieder die Chor- und Orchesterstärke zuzurechnen, die manchmal wie von Mikrophonen verstärkt klang. Dann hatten es die Sänger schwer, sich gegen die Klangfluten zu behaupten. Aber da diese Extreme selten waren, blieb der Orchestereindruck der Wiener Philharmoniker unter Herbert von Karajans Leitung ungetrübt herrlich, hatten die Chöre (Walter Hagen-Groll) mitreißende Verve.

 

Ein luxuriöser Ohren- und Augenschmaus. Jubel, “bravi” und ein Blumenregen aus dem Publikum für Mirella Freni.