Berliner
Tagesspiegel |
Operngala in der Philharmonie |
Puccinis “Tosca”
konzertant unter Herbert von Karajans Leitung |
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Als Herbert von Karajan vor etwa zwölf Jahren den
dritten Akt der “Götterdämmerung” mit dem Philharmonischen Orchester in
gleichsam symphonischer Gestalt musizierte, wurde sich das Auditorium bewußt,
einer in ihrer klanglichen Vollendung kaum je erreichten unwiederholbaren
Wagner-Interpretation beizuwohnen. Keines der internationalen Opernhäuser,
auch nicht Bayreuth, hätte eine so dynamisch ausgewogene, bis ins Detail
ausgefeilte Wiedergabe der immensen Partitur bieten können. Was Karajan mit der vollständigen
Aufführung von Giacomo Puccinis “Tosca” jetzt wagte, konnte nicht die
zauberischen Höreindrücke jener Wagner-Feier erreichen. Dem italienischen
Komponisten stand bei weitem nicht ein so breites instrumentales Farbspektrum
zur Verfügung, wie es der Herrscher von Bayreuth für das letzte Stück seiner
Nibelungen-Tetralogie gefordert hat. Auch gibt das veristisch krasse Drama
aus dem sensationshungrigen Fin de siècle weniger Raum zu weitem
symphonischem Strömen. Zwar werden im Konzertsaal dem Hörer die. Schrecknisse
der Bühne wie Folterung, Mord und Hinrichtung erspart, aber gerade das Fehlen
der theatralischen Aktion führte zu ermüdenden Längen, zu Wiederholung der
zwar scharf profilierten, aber auch primitiven thematischen Substanz. Nicht
immer siegt hier die Idealität der Musik über die szenischen Realitäten. Daß der Beifall des festlich gekleideten Publikums in
der trotz erhöhter Eintrittspreise ausverkauften Philharmonie nach jedem Akt
stürmisch, ja frenetisch anschwoll, zeugte von der ungeschwächten Wirkung,
die von dem betörend süßen Melos und den betäubenden Klangballungen der
Partitur unter den Händen Karajans ausging. Nicht immer paßte sich der
Dirigent in den dynamischen Graden den Stimmen des solistischen
Star-Ensembles an. Der üppigen Sonorität der Blechbläser wurden etwa in den
Szenen des Scarpia keine Zügel angelegt, so daß Ruggero Raimondi sich mit
seinen prachtvollen Stimmitteln nicht immer durchzusetzen vermochte. In der
Titelpartie bot Katja Ricciarelli eine durch stimmlichen Schmelz, in
dramatischen Affekten wie zarten Nuancen bezwingende Leistung. Ihr Partner
Jose Carreras den wir zuerst und zuletzt unter Karajans Leitung in Salzburg
als Radames in “Aida” hörten, hat sich in der weiteren Kultivierung seines
Tenors zu meisterlichem Mezzavoce wie strahlend metallischer Kraft
entwickelt. So ergaben sich im Zwiegesang der unglücklichen Liebenden im
dritten Akt die musikalischen Höhepunkte des Abends. Höchst erfreulich und
dankenswert, daß es Karajan gelang, den in den Opernhäusern üblichen
Szenenbeifall zu unterbinden. Unter den weiteren Mitwirkenden kamen noch Fernando
Corena in der Rolle des Mesner und Gottfried Hornik als Angelotti zu
gesanglicher Geltung. Der RIAS-Kammerchor trat für den ursprünglich
vorgesehenen Bulgarischen Nationalchor im ersten Akt erfolgreich ein. Die
Philharmoniker widmeten sich der ungewohnten Aufgabe mit Hingabe und schwelgten
wollüstig in sanften Lyrismen und brutalen Entladungen ihrer Klangkräfte. Was
Herbert von Karajan allein physisch bei der dreistündigen Aufführung
leistete, war aller Bewunderung wert. Bis zum letzten Ton vermochte er die
sensitiven und motorischen Kräfte des Ensembles zu äußerster Intensität zu
spannen. Ein Abglanz der konzertanten Sternstunden wird auf der Schallplatte
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