Presse, Wien, Aufführung 11. Mai 1980 |
Karajan ohne
Mikrophone |
“Don Carlos” in seiner Produktion an der Staatsoper gastierend. |
|
Meiner festen Überzeugung nach war die Vorstellung,
die Herbert von Karajan am Sonntag in der Wiener Staatsoper dirigierte, vor
allem deshalb so außerordentlich gelungen, weil sie einzig für die Besucher
der Wiener Staatsoper stattfand und alle notwendige Erregung, die Musiker
oder Sänger stimuliert, vom Dirigenten, vom Publikum, vom Partner kam, nicht
aber durch drohende Mikrophone und Kameras. Potentielle Opernfreunde, die jetzt meinen, man spotte
Ihrer, seien getröstet: So gut war die Aufführung wieder auch nicht, und
durch die notwendigen Manipulationen, die man an ihr für eine sachgemäße
Übertragung hätte durchführen müssen, hätte sie zweifellos an Stimmung
verloren. Als Reportage aber von einer Karajan-Produktion im Rahmen der Wiener
Staatsoper hätte man den langen Abend sicher mit Gewinn betrachten können
—warum‘s nicht möglich war, ist lang und ausführlich nicht erklärt worden. Zum Thema “Karajan-Produktion im Rahmen der Wiener
Staatsoper”: Nur wenn Karajan selbst dirigiert, kann man vorläufig
diese Sänger, diese Inszenierung, ja sogar nur dann diese Oper in Wien
genießen. Das ist mit Herrn von Karajan so abgesprochen, wird aber
hoffentlich demnächst geändert denn wenn Wiens Opernfreunde etwas fordern
dürfen, dann ist es wohl die permanente Aufführung von Meisterwerken wie den
“Don Carlos” ohne Rücksicht. auf die Verwertungsabsichten eines einzelnen
Mannes. Sie werden schon begreifen, daß die Oper im Repertoire manchmal nicht
so brillant musiziert oder gesungen wird wie unter Karajan. Zur Aufführung selbst? Sie war szenisch und
musikalisch sicht- und hörbar vorbereitet, unterschied sich somit vom
Repertoire deutlich, hob sich jedoch auch von sehr vielen
Karajan-Vorstellungen ab: Der Dirigent nahm langsamere Tempi und war in
manchen Augenblicken unheimlich laut, faszinierend rücksichtslos gegenüber
den Sängern, die er angeblich stets auf Händen trägt. Trotzdem: Seine Spannkraft übertrug sich wieder auf
die Bühne und das Orchester und machte dem Werk alle Ehre. Über dem zweifellos besten aller Opernorchester sangen
bewundernswert Mirella Freni, mit großer Anstrengung Agnes Baltsa, sehr
achtbar José Carreras, unvergleichlich Piero Cappuccilli, berührend Nicolai
Ghiaurov, tapfer Jules Bastin. Die Kenner wissen, welche Partien sie sangen
und daß dabei keine Debüts zu verzeichnen waren. Den Lesern sei zudem der
Hinweis gegeben, daß alle die schmückenden Beiwörter dem Niveau angemessen
wurden, das Karajan für seine Aufführungen in Anspruch nimmt, dem festlichen
also. Zwei Reprisen gibt‘s, und dann ist die gesamte
Festlichkeit, die vor Jahren als ein ganzer Monat Karajan in der Staatsoper
geplant war, wieder vorüber. Das trübt die Freude und bestimmt die Knappheit
dieses Berichts: Ein Gastspiel dieses Formats hätte man gern auch im
entsprechenden Ausmaß in Wien. In Wahrheit ist Herbert von Karajan beinahe
schon wieder weg — und hat uns für 1981 noch keine Versprechen gemacht. |
|