Abendzeitung München, Aufführung 28. August 1978 |
Wenn der Maestro die Seele kitzelt |
SALZBURGER FESTSPIELE: Herbert von Karajan dirigierte das "Requiem” von Verdi |
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Salzburger Festspiele: Herbert von Karajan lud zum
“Requiem” von Giuseppe Verdi. Es spielten die Berliner Philharmoniker. Den
Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien hatte Helmuth Froschauer
einstudiert. Als Solisten waren Mirella Freni, Agnes Baltsa. José Carreras
und Nicolai Ghiaurov zu hören (Großes Festspielhaus). Man muß sich damit abfinden, daß Herbert von
Karajan Verdis "Requiem" nicht als inbrünstige Totenmesse
zelebriert. Daß er sich vielmehr auf weichgepolsterte Effekte verläßt, die
brav die Seele kitzeln, aber selten unter die Haut gehen. Bereits seine vor etwa fünf Jahren entstandene
Platteneinspielung kündete davon. Inzwischen sind noch mehr
Streicheleinheiten hinzugekommen. Karajan manikürt die Details auf Hochglanz.
Schönere Piani, eine raffiniertere Klangbalance wird man hier kaum je
erleben. Die drohende Gebärde des "Dies Irae" ist so wohldosiert,
daß Schreckensschauer garantiert ausgeschlossen sind: keine Spur einer Vision
des Inferno, statt dessen allenfalls exzellent inszenierte Kuschel-Dramatik. Natürlich fand dies alles, wie immer bei Karajan, auf
sehr hohem Niveau statt. Auch wenn die Berliner Philharmoniker nicht
ihren besten Abend haben, sind sie noch immer ein exquisites Orchester. Und
auch der Wiener Singverein kennt inzwischen die Intentionen des
Maestro aus dem ff. Eine geradezu königliche Leistung bot die Altistin Agnes
Baltsa, die sich als einzige traute, hinter den Oberflächenreizen den
wahren Verdi zu suchen. Mirella Freni und Nicolai Ghiaurov sangen
perfekt. Schlimm bestellt scheint es derzeit um José
Carreras: Der begnadete Tenor sollte sich rasch überlegen, ob er wirklich
alles singen muß, was man ihm anbietet. Auch wenn die Offerte von Herrn von
Karajan kommt. |
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