Kurier, Wien,
Vorstellung 13.4.1976 |
Totenoper mit großen
Stimmen |
Karajan dirigierte das
Verdi-Requiem bei den Osterfestspielen |
Karl Löbl aus Salzburg |
Mit dem Requiem von Giuseppe Verdi
ist der erste Aufführungszyklus der Salzburger Osterfestspiele abgeschlossen
worden. Was folgt, sind Opern- und Konzertreprisen. Und Verhandlungen, wie es
in den nächsten Jahren weitergehen soll. Weil eine simple
Nutzen-Kosten-Rechnung nie stimmt, wenn es um Kunst geht. Da kann es nur ein
Kriterium geben: Was sie uns — dem Besucher sowohl als auch dem Steuerzahler
— wert ist. Die Aufführung des Verdi-Requiems beispielsweise war
dem Publikum ganz gewiß Kartenpreise zwischen 200 und 750 Schilling wert,
weil es um diesen Betrag kaum eine schönere Opernvorstellung geben kann. Was nicht bedeuten soll, Herbert von Karajan habe den
theatralischen Aspekt dieser genialillustrativen, von Frömmigkeit und
Bühnenerfahrung gleichermaßen getragenen Totenmesse überbetont. Er dirigierte
vielmehr eine zwischen Verinnerlichung und Dramatik wunderbar ausgewogene,
von menschlicher Wärme erfüllte, auffallend sinnliche Wiedergabe. Er suchte
nicht den Effekt, aber er fand ihn mit untrüglichem Instinkt in der Musik,
nicht an ihrer Oberfläche. Schon im vergangenen Sommer war aufgefallen, daß
Karajan (damals mit den Solisten Freni, Cossotto, Domingo und Ghiaurov)
bereit ist, persönliche Erfahrung in dieser Musik zu spiegeln. Daß er sich
nicht mehr scheut, Gefühl auch zu zeigen. Dienstag war im Großen Festspielhaus seine
Bereitschaft zur subjektiven Aussage unvermindert. Auf der Basis einer schon
mehrmals erprobten Einstudierung (Berliner Philharmoniker und Wiener
Singverein) bot er wieder eine sehr spannende, intensive Darstellung von
diesmal etwas stärkerer Opernhaftigkeit. Vor allem wegen Montserrat Caballé, deren Religiosität
ein wenig heroinenhaft oder primadonnenmäßig klingt. Der eigenartige Reiz
ihrer schwebenden Kopftöne signalisiert immer auch Artistik. Die Vehemenz
ihrer Sopranausbrüche erinnert immer auch an Santuzza. Raffinierter
Stimmeinsatz war jedoch stets mit Herz vorgeführt Noch ein zweiter spanischer Sänger debütierte an
diesem Abend in Salzburg (wo er im Sommer 1976 und 1977 übrigens statt
Domingo den Don Carlos übernimmt): José Carreras. Sein männlicher und doch so
empfindsamer Tenor beeindruckte auch hier durch die ungekünstelte Noblesse
der Phrasierung und die Wärme des Timbres. Fiorenza Cossotto, die mit leidenschaftlicher
Anteilnahme sang, und José van Dam, der seinen Part wie kaum ein
anderer Baß zu nuancieren und sublimieren vermag komplettierten das
Soloquartett. Wie feinfühlig, behutsam, hilfreich und virtuos
Karajan dieses Quartett zusammenzuhalten vermochte — das beobachten zu können
war eine zusätzliche Attraktion des insgesamt ergreifenden Konzerts. |
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