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Oper und Konzert 8/79
Aida Eröffnungspremiere 26. 7. 1979
SALZBURGER FESTSPIELE  GROSSES FESTSPIELHAUS 
Liebestod in Nibelheim
Archäologen seien gewarnt, in Grüften nach Aidas und Radames Gebeinen zu forschen: in Salzburgs Festspieleröffnungspremiere schloß sich nicht nur der Stein über den Liebenden, sondern sank tiefer und tiefer, bis er sie zermalmte; graue Wolken dräuten über dem hügeligen Bestattungsgelände, aus Nebelschwaden schälten sich zuletzt die Umrisse einer Pyramide: Liebestod in Nibelheim. Auch wenn der alte Verdi gerade in Salzburgs melodisch-intensiver Interpretation kein junger Wagnerianer ist, riefen hier szenisch Karajan und Schneider-Siemssen noch einmal ihre aufregende „Ring"-Interpretation vor einem Jahrzehnt in Erinnerung. Ihre Vision war zwingend, aber dies symbolhafte Mysterium hatte mit den vorangegangenen realistischen Szenerien nichts gemein. Günther SCHNEIDER-SIEMSSEN hatte, auch wenn er sich von Karnaks Tempelhallen inspirieren ließ, keinen protzigen Rahmen für ein pseudohistorisches Riesenspektakel geschaffen, bei den Riesenräumen erschienen Triumphpforte und Pyramidenstufen für das große Finale eher kärglich als opulent-monumental. Die endlose Spielfläche verlockte Herbert von KARAJAN auch nicht zu einer aufwendig-prunküberladenen Pharaonen-Show, sein König etwa war so bürgernah, daß man als Friedensgarantie statt der Verlobung seiner Tochter Amneris mit Radames fast die Ausrufung einer Volksrepublik durch das gekrönte Haupt selbst erwartet hätte. Freilich wirkte beim Triumphmarsch das halbe Heer Österreichs mit, das Ballett in peinlich einfallsloser John NEUMEIER-Choreographie mimte Füllsel-Statisterie, die Chöre von Wien, Sofia und Salzburg bevölkerten die Stufenaufbauten der Seiten (Respekt vor ihrer Schwindelfreiheit) — aber mit Kammerspielmitteln ist diese Massenszene ja nun wirklich nicht realisierbar. Dem Regisseur hier Gigantomanie vorzuwerfen, erscheint mir töricht, schließlich ist ja dies ausladende Chor-Finale ja auch nicht als Feinsinnsorgie komponiert. Warum freilich Karajan die Chöre auch noch über Mikrophon verstärkte, so daß wahre Klangfluten über Solisten und Statisten (und Publikum) hereinbrachen: das war unverständlich. In der Pause klagten Parkettbesucher, sie hätten die Solisten im Finale II nur noch als Stummfilmstare wahrgenommen — im Rang freilich hörte man mit Wonneschauern, wie Aida und Radames auch die geballtesten Chor-Attacken siegreich überschmetterten.