Zum Inhalt/To index
 
 
 
 

Orpheus 6/1983

OPERNEINDRÜCKE AUS ITALIEN

Andrea Chenier

SYBILLE SCHNEIDER-MARIOTTI berichtet

Über den Tumult in der Mailänder Scala anläßlich des Publikumsunwillens beim neuen „Ernani“ —dem besonders MIRELLA FRENI als unzulänglich empfundene Elvira zu spüren bekam und dem sogar PLACIDO DOMINGO in der Titelrolle nicht entgehen konnte — ist bereits so viel in der Tagespresse berichtet worden, daß sich weitere Worte erübrigen. Über den darauffolgenden „Andrea Chenier“ fand man dagegen wesentlich besseres Lob: In der Titelrolle überzeugte JOSE CARRERAS in seinem langerwarteten Scaladebüt in dieser Rolle, seine exzellente stimmliche Verfassung wie auch seine ansprechende Bühnenpräsenz ließen auch die verstummen, die in den letzten Monaten Kritik an dem spanischen Tenor geübt hatten. Als Maddalena brachte ANNA TOMOWA-SINTOW eine frauliche und attraktive Erscheinung mit, ihre Darstellung bewies erneut ihre solide stimmliche Technik und unbedingte Professionalität, wenngleich eine leidenschaftlichere Verkörperung denkbar wäre für diese Rolle. PIERO CAPPUCCILLI als Gerard forcierte nach meinem Geschmack zu sehr, vor allem in den lauteren Passagen, aber auch an seiner (etwas plakativen) darstellerischen Leistung kann kein Zweifel sein, und der frenetische Beifall nach seiner Arie ("Nemico della patria“) war unbedingt verdient. RICCARDO CHAILLYS musikalische Leitung ließ vor allem einzelne Orchestergruppen zu großem Gewinn hören, aber ließ auch einen allgemeinen leidenschaftlichen Bogen vermissen, den dieses Werk unbedingt verlangt.