Zum Inhalt/To index
 
 
 
 

Oper und Konzert 7/1981

WIESBADEN, Internationale Maifestspiele 1981

Don Carlos (Carreras, Pons, Nesterenko) 23. 5. 1981

 

 

Drei Wochen später, beim Gala-,,Carlos", schien die Wiesbadener Staatskapelle mit mehr Spielfreude dabei zu sein, es wurde, wieder unter Siegfried Köhler, sehr nervig und geschmeidig musiziert, nur zu Beginn störten einige Bläserunsicherheiten. Drei Weltstars machten den etwas hausbackenen Wiesbadener „Don Carlos“ (Ekkehard Grübler besorgte die Inszenierung Anfang des Jahres) zum zweifellos glanzvollsten Opernereignis der diesjährigen Maifestspiele. Auch an diesem Abend machte im Pausengespräch der Operngourmets vor allem ein Name die Runde: José Carreras, der 35jährige spanische Tenor ‚in dem auch ernstzunehmende Leute schon den zweiten Placido Domingo zu sehen glauben. Derartige Vergleiche sind allemal problematisch, daß Carreras derzeit jedoch nicht einmal im entferntesten an seinen fünf Jahre älteren Landsmann aus Madrid, was Stimmkultur und darstellerische Sicherheit angeht, heranreicht, kann überhaupt keinem Zweifel unterliegen. Um das herauszufinden, genügte im Grunde schon sein erster Auftritt: das war denn doch erstaunlich, wie unverblümt sich der figürlich etwas gedrungene Weltstar an der Rampe aufbaute, sich einen Teufel um seine Mitspieler scherte und als Fermatenauskoster betätigte. Gewiß eine schöne, geradezu sinnlich-rauh timbrierte Tenorstimme war da zu bewundern, aber das allein ist selbst für die schauspielerisch nicht sehr ergiebige Partie des Infanten für eine Operngala eigentlich zu wenig. So wurde auch nicht der großangekündigte Star, sondern Carreras Landsmann Juan Pons als Posa zum Ereignis des Abends. Pons‘ Bariton klingt füllig und sonor, ohne forciert zu wirken, dazu erweist sich der hochgewachsene, blendend aussehende Sänger auch als überaus geschmackvoller Darsteller, etwa in der Begegnung mit Philipp oder in seiner Sterbeszene. Auch Eugen Nesterenko zeichnete als Philipp ein scharf geschnittenes Rollenporträt, leider neigte der Sänger dazu, seinen schlanken, nicht übermäßig schön timbrierten Baß stark zu forcieren, was dem Vortrag bisweilen schon sehr schadete.
Aus dem Wiesbadener Ensemble ist vor allem die farbige Sängerin Gail Gilmore zu nennen, die die Partie der Eboli mit volltönendem Alt und einer bis in die Fingerspitzen beseelten Gestik festspielwürdig ausfüllte. Guten Wiesbadener Standard verkörperten u. a. Eduard Wollitz als Großinquisitor und Carlo Pohl als Elisabeth. J. G.