Opernwelt 11/1981 |
Oper — konzertant |
Ponchiellis «La Gioconda» in
Linz |
20.9.1981 |
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Wie sich Amilcare Ponchiellis «La Gioconda»
stilistisch mit den programmatischen Leitlinien des Linzer «Brucknerfestes» vereinbaren
läßt, mögen die Veranstalter an der Donaulände wissen. In Linz und auch an
anderen Orten, wo die Festspiele in die Jahre kommen, ist man zur
Programmstreckung gezwungen. Kompositorische Hinterlassenschaften lassen sich
nur begrenzt plündern. Man ist gezwungen, die aufführungspraktischen
Perspektiven zu erweitern. Und gerade bei Anton Bruckner sieht sich der
Festinitiator recht schnell in die Defensive gedrängt: neun Symphonien —
gottlob in zahlreichen Fassungen greifbar —‚ein paar Chorwerke, etwas
Orgelmusik, einige Klavierstücke und das eine oder andere Orchesterexperiment
sind quantitativ gesehen nicht gerade als Unterpfand für ein wesensreines
Festgeschehen einzustufen. Überdies wird die Linzer Veranstaltungsgesellschaft als kommerziell
ausgerichtetes und hart am Wind geführtes Unternehmen darauf hinweisen, daß
konzertante Opernaufführungen gut besucht sind. Bei der Verpflichtung von
Solisten scheut man denn auch keine Mühen und Kosten. So wie Ponchiellis
«Gioconda» im Brucknerhaus abgewickelt wurde, durfte sich das Publikum mit
Veroneser Verhältnissen konfrontiert sehen. In der Titelpartie die
Arena-geschulte Bulgarin Galina Savova, an ihrer Seite Sängerinnen von
stattlicher Statur und mit mächtigem Stimmvolumen: Livia Budai (Laura Adorno)
und Margarita Lilowa (La Ciecca), von denen in der Tat bedeutende Impulse für
die insgesamt bewegte, zuweilen zur Drastik neigende Aufführung ausgingen.
Die Ungarin Livia Budai empfahl sich als eine Art lebende Vokalorgel. Indes:
Das für so gut wie alle ungarischen Sänger symptomatische Defizit
hinsichtlich der technischen Fundierung ist auch für diese Heroine
kennzeichnend. Ihre Kollegin Galina Savova setzt ihre expansiven Mittel um
vieles bewußter ein, auch wenn sich im Piano Ermattung nicht überhören läßt. Den Linzern ging es jedoch nicht unbedingt um die Tuchfühlung mit
femininen Sopranexaltationen, sondern um die Begegnung mit José Carreras, der
sich schier heldisch mit den Entäußerungen des Genuesen Enzo Grimaldo
auseinandersetzte. Carreras‘ betörendes Timbre hebt die verhaltenen Episoden
des Werkes auf die Ebene reinsten Tenorgenusses. Leider sägt dieser Sänger an
jenem lyrischen Ast, auf dem sich heutzutage nicht allzu viele Belcantisten
guten Gewissens niederlassen können. Carreras forciert im Ausdruck, wo es nur
geht und auch dort, wo es dramaturgisch gar nicht zielführend ist. Sein
stimmlicher Einsatz ist ein einziges «Herhören!». Warum spart dieser
begnadete Mann nicht? Warum meint er, daß starke Töne das ihm angemessene
Ausdrucksmedium sind? Und selbstverständlich gebricht es dadurch der Höhe an
Fruchtbarkeit und Lichte. Auch sonst wurde nicht eben leger gesungen. Wassili Janulako
(Barnaba), Carlo de Bortoli (Alvise) und Kurt Rydl (Zuane, Sänger,
Gondoliere) gaben sich offensiv, wobei der letztgenannte noch über die
größten stimmlichen Rücklagen verfügte und — wie so oft in Salzburg — den in
der Werkhierarchie übergeordneten Darstellern das künstlerische Wasser
abgrub. Womöglich ging es den Interpreten jedoch auch um die Suggestion von
Bühne und Kostüm. Der konzertante Rahmen verleitet allzu oft zum Forcieren.
Der Rang dieser konzertanten Erinnerung an Ponchiellis «La Gioconda» wurde
trotz der Einwände von den Solisten gesichert. Giuseppe Patané sorgte für die
orchestralen und atmosphärischen Bedingungen etwa einer Repertoire-
Aufführung an der Wiener Staatsoper: kundig, verläßlich, aber ohne
gestalterische Höhenflüge. Der Gerechtigkeit halber muß jedoch erwähnt
werden, daß dem Brucknerorchester Linz nicht alles gelang, was Ponchielli in
die Partitur eingewoben hat. In der Gegend der Holzbläser passierten unfeine
Dinge, über die es sich am Ort Gedanken zu machen lohnt. Der Chor (Ernst
Dunshirn) agierte ordentlich und mutig.
AMILCARE PONCHIELLI: «LA GIOCONDA». Konzertante
Aufführung am 20. September 1981 Musikalische Leitung: Giuseppe Patané.
Choreinstudierung: Ernst Dunshirn. Solisten
Galina Savova (La Gioconda), Livia Budai (Laura Adorno), Carlo di Bortoli
(Alvise), Margarita Lilowa (La Ciecca), José Carreras (Enzo Grimaldo),
Wassili Janulako (Barnaba), Kurt Rydl (Zuane, Sänger, Gondoliere), Salvatore
Sanna (Isepo). |
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