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Verdi: I Lombardi, April 1984

MAILÄNDER SCALA

 

Die Lombarden, die vierte Verdi-Oper, die ihre Uraufführung in der Scala (am 11.2.1843) hatte, wurde in Mailand ein halbes Jahrhundert nicht aufgeführt. So stellte diese Premiere ein ganz besonderes Ereignis dar. Im Zuschauerraum herrschte eine besondere Athmosphäre, schließlich eine riesige Begeisterung und für alle Mitwirkenden — Dirigent, Spielleiter und Sänger — gab es stürmischen Beifall. Aber bei der zweiten und dritten Reprise mischten sich mit dem Applaus auch laute Protestrufe, die vor allem gegen die Interpretin der Griselda, Gena DIMITROVA, gerichtet waren, welche bei der Eröffnung der diesjährigen Spielzeit der Mailänder Scala als Turandot eine erstklassige Attraktion gewesen war. Gena Dimitrova entsprach jetzt nur in lyrischen Partien, was für ein Publikum, welches sie in „Lombardi" nie hörte, fast unbegreiflich ist, weil sie gerade durch die dramatische Kraft und das riesige Volumen ihrer Stimme so bekannt geworden ist. Wirklich vorbildlich sang sie nur jene Teile ihres Parts, bei welchen sie ihre Kunst im p- und pp-Singen demonstrieren konnte.

Den Oronte sang José CARRERAS sehr musikalisch und ausdrucksvoll, man bemerkte aber, daß seine Stimme etwas von dem wunderschönen und edlen Timbre, über das er verfügte als er noch ausschließlich Rollen des lyrischen Fachs sang, verloren hat.

Eine sehr solide Leistung, sowohl stimmlich als auch szenisch, bot der Bariton Silvano CARROLI als Pagano, in den übrigen Rollen traten Carlo BINI, Giovanni FOIANI, Gianfranco MANGANOTTI, Ligi RONI, Luisa VANNINI und Laura BOCCA auf.

Am Dirigentenpult erschien, zum zweiten Mal in dieser Saison, Maestro Gianandrea GAVAZZENI, der dieser Aufführung ein sehr beachtenswertes künstlerisches Niveau sicherte, besonders bei dem Auftritt des Chors, welchen jetzt Giulio BERTOLA leitet. Die Szene mit dem Chor im letzten Akt — „O Signor che dal tetto natio — war der Höhepunkt der Vorstellung, wobei sich sogar noch etwas ganz Ungewöhnliches ereignete: Auf den langdauernden und insistierenden Beifall des Publikums wiederholte Maestro Gavazzeni diese Szene, obwohl in der Scala noch von der Toscanini-Zeit her so etwas nicht erlaubt ist, weil es nicht im Einklang mit der Reputation des ersten Opernhauses der Welt stehe.

Und schließlich noch einige Bemerkungen betreffend die Spielleitung: Obwohl Gabriele LAVIA nur als Schauspiel-Regisseur bekannt ist, wurde seine Inszenierung der „Lombarden" gut angenommen, ebenso erfolgreich waren auch seine Mitarbeiter, der Bühnenbildner Giovanni AGOSTINUCCI sowie die Autorin der Kostüme, Andrea VIOTTI. DL