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Tosca, Met, 1975, performance 18.11.1974
Aus der ersten Hälfte der Met-Saison sind zwei Einzelleistungen in zwei Puccini-Opern nachzutragen, sie leuchteten wie einsam funkelnde Sterne am Opernfirmament: JOSÉ CARRERAS machte sein Met-Debüt als Cavaradossi und RENATA SCOTTO sang eine einzige Butterfly.
Den ersten Cavaradossi seines Lebens ‚probierte‘ der nun 28-jährige Carreras vor zwei Jahren in der City Opera aus. Er hatte einen enormen Erfolg, und seine Leistung mußte damals besonders anerkannt werden, da er mit nur einer Klavier- und Stellprobe solch einen wichtigen Schritt wagte. Es war eine Repertoire-Vorstellung, und er flog eigens nach New York, eine Zwischenlandung auf dem Weg zu einem anderen Engagement. Sein Met-Debüt sah ähnlich aus. Doch hatte er inzwischen einige Erfahrungen in seiner jungen Karriere sammeln können. Da er ein hoch intelligenter Mensch ohne alle Star-Allüren ist, machte ihm die große Erregung, die sich in der Metropolitan wegen seines Debüts verbreitete, keinerlei Schwierigkeiten.

Von dem großen spanisch-sprechenden Kontingent New Yorks kamen viele, für sie war das Met-Debüt ‚ihres‘ Tenors aus Barcelona Ehrensache. Seine unzähligen Verehrer von der City Opera schlossen sich an, dazu Opernfanatiker, Abonnenten — die Met war bis auf den letzten Stehplatz ausverkauft. Es herrschte eine Hochspannung wie — beim Stierkampf. Tatsächlich wurde später ‚Olé' gerufen!

Als Cavaradossi-Carreras auf dem hohen Malergerüst stand, seine Farben mischte und „Recondita armonia“ singen wollte, fiel der Skizzenständer quer über die Treppe und blockierte den wichtigen schnellen Abgang beim Erscheinen Angelottis. Carreras schenkte der Sache einen kurzen Blick, dann warf er das unförmige Hindernis blitzschnell zur Seite und verglich Toscas Porträt mit einer Innigkeit und einem Schmelz in der Stimme, daß das Publikum nicht aufhören wollte zu rasen. Dirigent ALBERTO EREDE schien den Applaus nicht zu bemerken und trieb das Orchester zum Weiterspielen an. Keiner hörte drauf. Nach Cavaradossis Arie im dritten Akt, in der Carreras wie um sein Leben sang und alles gab, wurde das Publikum wild. Die Vorstellung wurde für fast zwei Minuten unterbrochen. Bei ‚O dolci mani‘ kippte ihm für einen Augenblick die Stimme, doch sonst hatte Carreras die Situation vollkommen in der Hand. Er sang den ganzen Abend über mit freier, klarer Stimme, bewies wieder seine hohe Musikalität und spielte mit sympathischer Überzeugung.
Leider aber hatte dieser Cavaradossi eine Tosca auf der Bühne, die zum absoluten Gefrierpunkt der Saison gehörte. Die junge Amerikanerin RACHEL MATHES (sie war auch an deutschen Opernhäusern zu hören) machte einige Wochen vorher ihr ziemlich unauffälliges Met-Debüt als Donna Anna. Ihr lyrischer Sopran besitzt kein besonderes Timbre, also für eine Tosca kaum geeignet. Sie hatte lntonationsschwierigkeiten, in der Höhe sang sie fast immer scharf. Doch nicht nur stimmlich war alles falsch, sondern auch darstellerisch. Miss Mathes ist eine große Frau mit erheblichem Gewicht, die sich auf der Bühne wie eine Jugendlich-Naive bewegt. Ihr Gang glich einem aufgezogenen Spielzeug, und wie eine enorme Brummfliege schwirrte sie von einem Punkt zum anderen über die Bühne. Sie agierte mit solch seltsam ungeschickten Gesten, daß das Publikum oft in schallendes Gelächter ausbrach; so erlebten wir — nachdem Cavaradossi abgeschleppt wurde — .‚ Tosca' als Komödie. ROBERT MERRILL, der Scarpia, vergaß wieder einmal den Text. Seine Stimme klang kraftvoll wie je, doch dramatisch konnte er der Rolle kaum etwas abgewinnen, und ohne Gegenspielerin wußte er anscheinend nicht, was er tun sollte. Er stand! Als dann Scarpia mit Tosca in eine Art Handgemenge geriet, war das sehr komisch. Auch das Ausschreiben des Geleitbriefes und der Tod Scarpias hatten — dank dieser Tosca — viele lustige Momente. Man fragt sich, wie das Management solch unüberlegt zusammengewürfelte Besetzungen verantworten kann. Der Sopranistin hatte man damit keinen Gefallen getan.