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Oper und Konzert 5/1979

«La Bohème»

NATIONALTHEATER

17. 4. 1979

José CARRERAS ist als Rodolfo nicht so hinreißend wie in anderen Rollen. Zwar sang er glanzvoll, doch fehlten dem blanken Metall seiner Stimme und auch seiner Art zu singen Wärme und Zärtlichkeit ebenso wie seinem Spiel, das immer etwas kühl und äußerlich blieb. Auch Adriana MALIPONTE ist gewiß eine gute Sängerin: sie sang und spielte Mimi recht brav, zu brav — um nicht zu sagen hausbacken. Ihre große, füllige Stimme ist nicht eben kostbar, leuchtete aber sanft und angenehm, ihrer Singweise hätte man wie ihrem Spiel ein bißchen mehr Eleganz und Charme gewünscht. Julia CONWELLS nicht unschöner, sicher geführter und sehr tragfähiger Soubrettenstimme fehlte es an sinnlichem Reiz, an Süße, an Farbe überhaupt, und trotz ihres guten Aussehens hatte sie keine Ausstrahlung, nichts von dem Zauber, der überall um Musette solche Erregung aufwirbelt.
Der für Wolfgang Brendel als Marcello eingesprungene Georg TICHY fügte sich gut in die Aufführung, er war sogar der temperamentvollste, ausdrucksstärkste und auch der sympathischste im Quartett der Freunde. Auch sängerisch hielt er sich wacker, doch mußte sein stumpf kollernder Bariton neben Carreras‘ strahlendem Tenorglanz verblassen.
Daß Raimund GRUMBACH vom Marcello zum Schaunard absteigen mußte, war diesmal zu bedauern: stimmlich übertrumpfte er den mit dankbaren Melodien viel reicher bedachten Maler bei weitem. Kieth ENGEN gab den Philosophen mit sonorem Baß und recht maßvollem darstellerischen Einsatz, Max PROEBSTL war der überaus seriöse Benoit. Musikalisch war die Aufführung unter Miguel GOMEZ MARTINEZ recht brav und entsprach damit der SZENE —wenn man vom zweiten Bild absieht, das seit der Premiere nichts von seinem mitreißend frischen Leben verloren hat. HH