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Orpheus 9/10 - 1980

AIDA 

Großes Festspielhaus— Vorstellung am 13.8.1980
Der König Agostino Ferrin, Amneris — Ruza Baldani, Aida — Mirella Freni, Radames — José Carreras, Ramphis — Ruggero Raimondi, Amonasro — Piero Cappuccilli, Ein Bote — Thomas Moser, Priesterin — Marion Lambriks, Dirigent und Inszenierung — Herbert von Karajan, Bühnenbild — Günther Schneider-Siemssen, Kostüme Georges Wakhevitch, Chöre — Walter Hagen-Groll, Choreographie — John Neumeier

von IRIS BUNSCH

Große Namen natürlich auch wieder bei der Reprise von Verdis „Aida“; und wie immer, wenn Karajan in Salzburg auftritt, werden die Festspiele und das Publikum am prächtigsten. Über die szenische Einrichtung der Oper durch HERBERT VON KARAJAN als Regisseur und GÜNTHER SCHNEIDER-SIEMSSEN als Bühnenbildner ist anläßlich der Premiere im letzten Jahr schon heftig gerechtet, gemäkelt und gelästert worden. Dieser entfesselte Gigantismus als Zeichen von Selbstbeweihräucherung und hybridem Machtanspruch einer hermetischen und fanatischen Priesterschaft ist durchaus eine Belastung für eine differenzierte Interpretation der übrigen Inhalte. Auf jeden Fall wurde diese Bühnenumgebung zu einem Prüfstein für die Sänger und noch mehr für deren persönliche Ausstrahlung. Vom dritten Akt an, als die ganz großen Staatsrituale bewältigt waren, konnte man sich auf die kleineren, menschlichen und eigentlichen Handlungselemente der Oper konzentrieren. Bis dahin hatte der Dirigent Karajan durch das Aufzeigen sublimer und subtilster musikalischer Strukturen und esotherischer Klänge mit seiner eigenen wuchtigen und aufwendigen Inszenierung einen dialektischen Kampf ausgefochten, während sich die Sänger allesamt auf das Produzieren meist sehr schöner Töne konzentrierten. Nach dem Triumph-Bild mit JOHN NEUMEIERS reichlich manieriert-schwülstigem Ballett und verstärktem Trompetenschall fing es jedoch an, spannend zu werden. Karajan fand in der Nil-Szene und im Schlußbild zu aufregenden, bisher wahrhaft ungehörten Farbnuancen und raffiniert gefilterten Emotionsdarstellungen. Dramatische Kraft und lyrisches Verschweben waren die extremen Pole, zwischen denen der Dirigent immer neue Feinabstufungen präsentierte. Unter den Solisten entsprach MIRELLA FRENI am meisten diesem Programm der Delikatesse. Wie sie mit Sensibilität und technischer Souveränität die für ihre Stimme eigentlich zu dramatische Partie bewältigte, war hoher Bewunderung würdig. Sie sang eine noble Aida, die sich bis zum Schlußduett mit Radames steigern konnte. Schauspielerisch war sie am eindringlichsten in der Interaktion mit PIERO CAPPUCCILLIS Amonasro. Im Nil-Bild konnte man beobachten, wie sich zwei überragende Künstlerpersönlichkeiten erfolgreich gegen die ästhetische Pracht von Schneider-Siemssen durchsetzten. Hier fand auch Cappuccilli zu der stimmlichen Prägnanz, die ihm in der Triumph-Szene noch gefehlt hatte. JOSE CARRERAS als Radames wartete mit prunkendem tenoralen Wohllaut auf; das zweischneidige Charakterbild des ägyptischen Feldherrn vermochte er nicht zu verdeutlichen, dafür beließ er es zu sehr bei einigen imponierenden Gesten. Als Amneris trat in diesem Sommer durchgehend RUZA BALDANI auf. Sie sang mit sicherem, warmem Mezzosopran, der in den lyrischen Passagen herrlich aufblühte, dem aber stellenweise die nötige Dramatik abging. Die darstellerische Statik ließ zwar die stolze Königstochter gut zur Geltung kommen, drängte aber den Seelenkonflikt der im Kampf um den Geliebten unterlegenen Frau zurück. RUGGERO RAIMONDI war ein stimmgewaltiger, sonorer Ramphis, dessen Baß die Unerbittlichkeit des Oberpriesters betonte. Auch AGOSTINO FERRIN als schön klingender, würdevoll spielender König gab seiner Rolle das gebührende Gewicht. Der von WALTER HAGEN-GROLL vorzüglich einstudierte Chor und die Träger der Nebenrollen, MARJON LAMBRIKS als Priesterin und THOMAS MOSER als Bote ergänzten das hervorragende musikalische Niveau der Aufführung.