Orpheus 9/10 - 1980 |
AIDA |
Großes Festspielhaus— Vorstellung am 13.8.1980 |
von IRIS BUNSCH |
Große Namen natürlich auch wieder bei der Reprise
von Verdis „Aida“; und wie immer, wenn Karajan in Salzburg auftritt, werden
die Festspiele und das Publikum am prächtigsten. Über die szenische
Einrichtung der Oper durch HERBERT VON KARAJAN als Regisseur und GÜNTHER
SCHNEIDER-SIEMSSEN als Bühnenbildner ist anläßlich der Premiere im letzten
Jahr schon heftig gerechtet, gemäkelt und gelästert worden. Dieser
entfesselte Gigantismus als Zeichen von Selbstbeweihräucherung und hybridem
Machtanspruch einer hermetischen und fanatischen Priesterschaft ist durchaus
eine Belastung für eine differenzierte Interpretation der übrigen Inhalte.
Auf jeden Fall wurde diese Bühnenumgebung zu einem Prüfstein für die Sänger
und noch mehr für deren persönliche Ausstrahlung. Vom dritten Akt an, als die
ganz großen Staatsrituale bewältigt waren, konnte man sich auf die kleineren,
menschlichen und eigentlichen Handlungselemente der Oper konzentrieren. Bis
dahin hatte der Dirigent Karajan durch das Aufzeigen sublimer und subtilster
musikalischer Strukturen und esotherischer Klänge mit seiner eigenen
wuchtigen und aufwendigen Inszenierung einen dialektischen Kampf
ausgefochten, während sich die Sänger allesamt auf das Produzieren meist sehr
schöner Töne konzentrierten. Nach dem Triumph-Bild mit JOHN NEUMEIERS
reichlich manieriert-schwülstigem Ballett und verstärktem Trompetenschall
fing es jedoch an, spannend zu werden. Karajan fand in der Nil-Szene und im
Schlußbild zu aufregenden, bisher wahrhaft ungehörten Farbnuancen und
raffiniert gefilterten Emotionsdarstellungen. Dramatische Kraft und lyrisches
Verschweben waren die extremen Pole, zwischen denen der Dirigent immer neue
Feinabstufungen präsentierte. Unter den Solisten entsprach MIRELLA FRENI am
meisten diesem Programm der Delikatesse. Wie sie mit Sensibilität und
technischer Souveränität die für ihre Stimme eigentlich zu dramatische Partie
bewältigte, war hoher Bewunderung würdig. Sie sang eine noble Aida, die sich
bis zum Schlußduett mit Radames steigern konnte. Schauspielerisch war sie am
eindringlichsten in der Interaktion mit PIERO CAPPUCCILLIS Amonasro. Im
Nil-Bild konnte man beobachten, wie sich zwei überragende
Künstlerpersönlichkeiten erfolgreich gegen die ästhetische Pracht von
Schneider-Siemssen durchsetzten. Hier fand auch Cappuccilli zu der
stimmlichen Prägnanz, die ihm in der Triumph-Szene noch gefehlt hatte. JOSE
CARRERAS als Radames wartete mit prunkendem tenoralen Wohllaut auf; das
zweischneidige Charakterbild des ägyptischen Feldherrn vermochte er nicht zu
verdeutlichen, dafür beließ er es zu sehr bei einigen imponierenden Gesten.
Als Amneris trat in diesem Sommer durchgehend RUZA BALDANI auf. Sie sang mit
sicherem, warmem Mezzosopran, der in den lyrischen Passagen herrlich
aufblühte, dem aber stellenweise die nötige Dramatik abging. Die
darstellerische Statik ließ zwar die stolze Königstochter gut zur Geltung
kommen, drängte aber den Seelenkonflikt der im Kampf um den Geliebten
unterlegenen Frau zurück. RUGGERO RAIMONDI war ein stimmgewaltiger, sonorer
Ramphis, dessen Baß die Unerbittlichkeit des Oberpriesters betonte. Auch
AGOSTINO FERRIN als schön klingender, würdevoll spielender König gab seiner
Rolle das gebührende Gewicht. Der von WALTER HAGEN-GROLL vorzüglich
einstudierte Chor und die Träger der Nebenrollen, MARJON LAMBRIKS als
Priesterin und THOMAS MOSER als Bote ergänzten das hervorragende musikalische
Niveau der Aufführung. |
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