Oper und Konzert 7/1983 |
STAATSOPER WIEN - 13.4.83 |
André Chenier |
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Jetzt kann man Otto Schenks einfallsreiche Regie
in Giordanos „André Chénier" bewundern, dazu erstklassige Solisten,
einen bestechenden Chor und vor allem einen mitreißenden Dirigenten, die den
Abend zum Ereignis machen. Das animierte Vorspiel und die betont frohe Laune der Domestiken, die
das Fest bei der Gräfin Coigny vorbereiten, stehen in scharfem Kontrast zum
leidenschaftlichen Auftritt des Dieners Gerard, Sohn des alten
Schloßgärtners, der, bereits vom aufrührerischen Geist der Revolution
erfüllt, aus seinem Haß gegen die lebenslustige Herrschaft keinen Hehl macht.
Giorgio Zancanaro, ein Charakterbariton mit schier unerschöpflichen Reserven,
gestaltet diesen Gerard subtil, packend, mit einer Leidenschaft und Hingabe,
die überwältigt. Ohne zu künsteln ist er Freund und Aufrührer, Liebender und
Verzichtender in höchster Glaubwürdigkeit, markig mit allen Zwischentönen
seines voluminösen Baritons, den zusätzlich ein außerordentlich
differenziertes Spiel unterstreicht. Wie er sich vom Gegner des etwas
zwielichtigen Dichters Chenier zu dessen Verteidiger wandelt, ist eine differenzierte
psychologische Studie. André Chénier ist Jose Carreras, ein jugendlicher Schwärmer voll Animo
und Begeisterung, zierlicher an Gestalt, auch drahtiger, geschmeidiger als
ehemals Placido Domingo. Dennoch an Strahlkraft der Stimme diesem zumindest ebenbürtig,
wenn nicht gar in der schlackenlosen Höhenführung mit immer noch möglichen
Steigerungen überlegen. Anfangs bleibt Eva Marton etwas farblos (— die bleiche Maske kleidet
sie ebenso unvorteilhaft wie alle anderen Damen des Ensembles —) doch gewinnt
ihre Madelaine im Verlauf des Abends immer mehr an Dichte und Intensität. Im
Gegensatz zur slawischen Süße, die Gabriele Benackova-Caps Stimme an gleicher
Stelle vor zwei Jahren verströmte, ist Eva Marton die große Heldin, die
Hochdramatische, die trotz des bittenden Untertons in ihrer ergreifenden
Lebensschilderung immer die Grande Dame bleibt. Das Schlußduett mit Carreras
jagt — man verzeihe die abgegriffene Formulierung — buchstäblich kalte
Schauer über den Rücken. Wie eine Königin besteigt sie den Karren zum
Schafott, als Siegerin auf einem Thron reicht sie dem Geliebten die Hand und
steht mit ihm unter dem Torbogen, umglänzt von einem Licht, das weniger in
den Tod, denn ins ewige Leben weist.
Wieder besticht Heinz Zednik als schillernder Incroyable, als lästiges
Insekt, ein widerlicher Zwischenträger, der immer auftaucht, um zu
denunzieren und menschliche Beziehungen zu zerstören. Gottfried Hornik gibt
diesmal den guten Freund Chéniers, Roucher, mit der lauteren Gesinnung und
dem warnenden Weitblick. Überraschend gewachsen als Persönlichkeit und im
Stimmvolumen ist Rohangiz Yachmis Zofe Bersi. Die blinde Madlon (Margarita
Lilowa) rührt mehr stimmlich als durch stereotypes Spiel. Die Chöre (Helmut
Froschauer) sind in ihren vielfältigen Gruppierungen, in spontanen
Ausbrüchen, die eigentlichen Handlungsträger. Otto Schenk versteht es, den
Pöbel in seinem Wahn fürchterlich erscheinen zu lassen. Er legt aber auch
wert auf die scheinbaren Nebensächlichkeiten, die seiner Inszenierung das
besondere Kolorit aufsetzen. Vieles wurde im Spiel vertieft, erscheint noch
krasser und eindringlicher als seinerzeit. Riccardo Chailly versteht trotz draufgängerischer Verve zu
differenzieren, heizt zwar das Orchester oft hektisch auf, weiß aber auch,
lyrische Zwiegesänge durch penibel hervorgehobene Streicherpassagen
feinsinnig aufzuwerten. In derart perfekter Darbietung erfreut der Abend die
zunächst gebannt lauschende, dann in Schreie der Begeisterung berstende Hörerschar. |
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