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Orpheus 4/1982

NATIONALTHEATER - München 

Don Carlo - 13.2.82 

 

Zur Nacht der langen Schlangen kam es an der Vorverkaufskasse der Staatsoper für einen „Don Carlos“ (13. 2. 1982), für den zwar eine Reihe internationaler Stars aufgeboten war, der aber durch ein Versehen der Verwaltung zu mittleren Ballettpreisen verhökert wurde, pikanterweise am letzten Tag des Winterschlußverkaufs. So kam ein Jubel-Publikum zum Sonder-Tarif in den Genuß eines Abends der Superlative, an dem NELLO SANTI Verdis lodernde Flammen entfachte, RUGGERO RAIMONDO einen stimmlich souveränen, die eigene Muttersprache freilich schwer verständlich lassenden Philipp gestaltete, und JOSE CARRERAS bewies, daß er in einer solchen Abendform als Carlos heute keinen Vergleich zu fürchten braucht. Mit ihrer in allen Registern gut treffenden Stimme und einem psychologisch schlüssigen Spiel war die Eboli der LIVIA BUDAI ideal besetzt. Zwei hauseigene Kräfte erwiesen sich in unendlich beglückender Weise solchen Namen ebenbürtig: KARL HELM als ein Großinquisitor, der keines dämonischen Registers bedurfte, um die Macht der kirchlichen Institution zum alles beherrschenden Hintergrund werden zu lassen, und natürlich WOLFGANG BRENDEL, derzeit der Posa aller Posas, dessen Schicksal die dramatischen Ereignisse reflektierte und der in der Kerker- und Sterbeszene die eigenen enormen Möglichkeiten nicht nur um ein Quentchen übertraf. KATIA RICCIARELLI allerdings erwies sich als das schwächste Glied in dieser hochkarätigen Juwelenkette. Die mangelhaft gestützte Stimme konnte kein Leuchten entfalten und versandete gnadenlos in den piani, die doch dem lyrischen Charakter ihres Soprans entsprechen sollten. Das Haus raste so, daß die Tore erst eine Stunde später als vorgesehen geschlossen werden konnten. Wer dabei war, hatte so etwas wie eine „Met“-Gala erlebt.
MANFRED STRAUSS —