Opernwelt |
Verdis «Trovatore»: |
London |
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Beim Einfluß der Schallplattenindustrie auf den
Bühnenbetrieb liegt es nahe, Besetzungen möglichst kompatibel zu halten,
Schallplattenproduktionen von Bühnenaufführungen herzustellen oder umgekehrt,
wie Karajan es von Fall zu Fall praktiziert. Bei der Wiederaufnahme von
Verdis «Trovatore» an Covent Garden beschritt Sir Colin Davis den zweiten
Weg: er verpflichtete die Besetzung seiner vor einiger Zeit bei Philips
erschienenen Aufnahme. Von einem «Konzert in Kostüm», szenisch auf Arrangements und
darstellerisch auf die üblichen Posen reduziert, ist zu berichten. (Die
Schuld daran trägt nicht der an diesem Abend für die Szene Verantwortliche,
sondern ein System der möglichst intensiven Vermarktung, das seinen Stars zu
gründlicher szenischer Arbeit kaum Zeit läßt.) Die Aufmerksamkeit
konzentrierte sich also auf die Stimmen, wobei sich einige grundsätzliche
Betrachtungen aufdrängten. José Carreras sang den Manrico zum ersten Male auf einer Bühne. Für
diese Partie gilt im Grunde das gleiche, was ich über ihn als Kalaf gesagt
habe. Auch hier hat er in der gegenwärtigen Opernszene wenige Konkurrenten.
Das bedeutet meiner Meinung nach aber noch nicht, daß die Partie ideal für
ihn ist, denn auch hier machte er die Stimme größer, sang auf Volumen. Am
Schluß, im Duett mit Azucena, zeigte er etwas von dem Timbre, das diese
Stimme so einzigartig gemacht hätte. Das Durchhaltevermögen für Partien wie
Manrico und Kalaf hat er sicherlich (wenn sich die stimmlichen Anforderungen
auch auf sein Spiel auswirken — es ist recht statisch geworden), und niemand
kann ihm den Rang als einer der besten Tenöre von heute streitig machen. Ein
Fach tiefer aber wäre er eine Jahrhundertstimme geworden ... Katja Ricciarelli als Leonora bot sehr schöne Töne an — und dazwischen
andere, etwas forcierte. Mit dem Forte-Ansatz in der Höhe schien sie
Schwierigkeiten zu haben. Auch sie scheint eine zeitlang einem Trend zum
Opfer gefallen zu sein, der Sänger über ihr Fach hinaussingen läßt (wobei
sicher der Einfluß der Schallplatte nicht unbedeutend ist), hat dabei ihre
Stimme vor allem in der Mitte größer zu machen versucht und so in der Höhe
verloren. Nun sieht es aus, als hätte sie sich besonnen. Aus dieser
Perspektive aber ist die Leonora im «Trovatore» doch eine Grenzpartie für
sie. Man merkte, daß sie sich die Partie stimmlich klug überlegt, beinahe
über jeden Ton Gedanken gemacht hatte. Was mir etwas fehlte, war das Legato,
die einzelnen Töne waren manchmal isoliert, bindungslos. Nun scheint aber die
Kunst, eine Phrase zu binden, zu einer Linie konstant gleichmäßiger Töne zu
verschmelzen, ohnehin heute weniger wichtig. Frau Ricciarelli ist da
keinesfalls allein. Stefania Toczyska debütierte an Covent Garden: Eine Azucena der hellen
Farben, eine Stimme, die in höheren Regionen ihre silberne Schönheit
entfaltete. Daß sie in tieferen Lagen unvermittelt, ohne Registerausgleich,
in die reine, unvermischte Bruststimme wechselte, gefiel mir persönlich
weniger. Aber auch sie ist mit diesem Verhalten nicht allein. Sicher hat dies
zu tun mit dem recht verwaschenen Begriff «Mezzo». Viele derer, die sich
Mezzosoprane nennen, sind ja höher disponiert, sozusagen verkappte Soprane,
«Falcon»-Stimmen (der Name der 1897 verstorbenen Sängerin Cornélie Falcon
steht auch heute noch für diesen Stimmtyp zwischen Mezzo und Sopran). Die
immer höher getriebene Stimmung der Orchester aber läßt heute selbst
Sängerinnen, die früher als echte Soprane gegolten hätten, ins Mezzo-Fach
«abrutschen». Da dieses nicht genau definiert ist, werden sie nicht nur in
ihnen der Tessitur nach gemäßen Partien, sondern auch in solchen besetzt, die
eigentlich den dunklen Farben, den Alti und Contralti (mit Höhe) vorbehalten
waren, eben Azucena, Ulrica usw. Um sich gegen die zunehmend lauteren
Orchester durchsetzen zu können, geben sie den Versuch eines Mischens von
Kopf- und Bruststimme auf zugunsten eines reinen, manchmal dicken
Brust-Klangs. Daß Colin Davis daneben einige Buhs abbekam, fand ich unter diesen
Umständen überhaupt nicht richtig, obwohl manches aus dem Orchestergraben
etwas «laut» klang, mit grellen, kräftigen statt mit subtilen Farben gemalt,
nicht immer genügend differenziert, oft auch etwas gehetzt und atemlos. Gegen
Ende aber schien die Musik zu Atem zu kommen, richtig erst in der
Kerkerszene, die zum Höhepunkt des Abends wurde. VERDI: "IL TROVATORE" Premiere der Neueinstudierung am
12Juli 1983. Musikalische Leitung: Colin Davis; Inszenierung: Luchino
Visconti, Spielleitung: Ande Anderson; Ausstattung: Filippo Sanjust. Solisten: José Carreras (Manrico), Katia
Ricciarelli (Leonora), Yuri Masurok (Luna), Stefania Toczyska (Azucena),
Richard van Allan (Ferrando) u. a. |
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