Oper und Konzert |
Werther 12.6.1980 |
NATIONALTHEATER, München |
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José CARRERAS in der Titelpartie war der einzige, der
von Beginn der erst allmählich auf Tour kommenden Vorstellung (für die
Theatergemeinde) an voll "da" war. Sein Werther war der als
ständiger Träumer, als stets ein wenig melancholisch und niemals fröhlich beschriebene
Schwärmer, ein Poet des Elegischen und ein Troubadour schmerzlicher Herztöne.
Unter Verzicht auf jene tenorale Vordergründigkeit sang Carreras berückend
schön, ausdrucksvoll in den Dolce-Passagen und emphatisch in den Ausbrüchen.
Obwohl einige der exponierten Spitzentöne ein bißchen eng gefaßt erschienen,
verzauberte Carreras durch den Wohllaut seiner Stimme, durch die Inbrünstigkeit
seines Belcanto und durch die lyrische Noblesse seiner Gestaltung. Elena
OBRAZTSOVA (Charlotte) gewann ihrem durch seine dunkle, brausende Klangfülle
weltberühmt gewordenen Alt nach anfänglicher Indifferenz erstaunlich viel an
samtener Weichheit und Sanftheit ab, ohne die „explosive Wucht“ und vehemente
Robustheit ihrer Stimme ins Treffen zu führen, wie sie dies mitunter etwa in
der im vorigen Jahr herausgebrachten Schallplattenaufnahme des Werks (unter
Riccardo Chailly) oder auch bei ihrem Münchner Debüt als Amneris (im Dezember
1979) tat; leider verstand es der illustre Bolshoi-Star nicht, die sich im
Gesang äußernde Schlichtheit und Gefühlstiefe auch im (oft antiquiert
posenhaft anmutenden) Spiel spürbar zu machen. In der von Jesus LOPEZ COBOS recht orchestergewichtig
dirigierten Aufführung, bei der sich das Flair und die Eleganz, die Süße und
der Duft der Massenet-Musik erst nach und nach entfalteten und oft etwas
hinter dramatischem „Affettuoso“ zurücktreten mußten, waren die übrigen
Hauptpartien mit Marianne SEIBEL als kindlich anmutige, niedliche, aber
ziemlich dünnstimmige Sophie, Hans Günter NOCKER als trocken pedantischer,
sich gesanglich oft auf blasses Säuseln zurückziehender Albert, Kieth ENGEN
als vergnügt brummelnder Amtmann und Georg PASKUDA und Karl Christian KOHN
als stimmlich blaß bleibende Zechkumpanen in gewohnter, aber nach wie vor
nicht durchwegs überzeugender Weise besetzt. —nn. |
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