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Madama Butterfly -  Giacomo Puccini
London
Aufführung am 12.6.1975
Pinkerton José Carreras, Goro - Francis Egerton, Suzuki - Noreen Berry, Sharpleß - Delme Bryn-Jones, Cho-cho-san - Sung Sook Lee, Kommissar - David Clyde, Mutter - Nada Pobjoy, Bonze - Richard Van AIIan, Kate - Anne Wilkens, Dirigent - Gaetano Delogu, Inszenierung - Ande Anderson, Ausstattung - Sophie Fedorovitch
....................So auch bei der „Madama Butterfly" in London, bei der Jeanette Pilou absagte. Ihre Stelle nahm SUNG SOOK LEE, eine Sängerin aus Korea ein, die sich in Amerika bereits einen Namen gemacht hat und nun in London ihr britisches Debüt feierte — nein, sie feierte nicht selbst, sie wurde gefeiert. Ganz abgesehen, daß ihr reizendes Äußere ihrer Darstellung entgegenkam, sie hat zudem eine vorzügliche Stimme, deren Ausdrucksspektrum vom dramatischen Ausbruch bis hin zur lyrischen Kantilene reicht. Ihre hohe Sing-Kultur wird ergänzt durch ein starkes darstellerisches Talent, das sie die Leiden der betrogenen Cho-cho-san anrührend, aber niemals rührselig gestalten ließ. Ihre Szenen im 2. Akt wurden zu Augenblicken großer Opernkunst, wie sie heutzutage nur in seltenen Glücksfällen noch zu erleben sind. Die Sängerin wurde glänzend flankiert von NOREEN BERRY, die als Suzuki im Verlaufe des Abends eine stete Steigerung durchmachte. Das war Geben und Nehmen, und das Blütenduett zeigte die beiden Künstlerinnen in vollkommener Harmonie. Den Pinkerton sang JOSE CARRERAS mit strahlendem Tenor voller Kraft und Schmelz. Ihm glaubte man sogleich den flotten Leutnant, dem es nur darum ging, die süße Japanerin zu vernaschen. Weniger verstand man, aber das ist eine Schwäche der Vorlage, warum wohl der Konsul Sharpleß an diesem „Windhund“ solch gütiges Interesse zeigt. DELME BYRN-JONES verkörperte den Diplomaten mit Bonhomie und kultiviertem Bariton. Den gerissenen Goro spielte (weniger: sang) FRANCIS EGERTON als widerliche Kreatur, und ANNE WILKENS war die amerikanische Pinkerton-Gattin. Mit Recht schloß das Publikum in seinen Jubel auch den Dirigenten GAETANO DELOGU mit ein. Er hatte einen wunderbar schlanken, dabei doch kraftvollen Puccini geboten, der ohne Schlacken und süßlichen Zierrat sich in all seiner berückenden Schönheit und fremd-vertrauten Zartheit entfalten konnte. Star des Abends aber war gewiß die Sängerin der Titelpartie. Man darf sicher sein, daß die Londoner sie schon bald — und dann nicht als Ersatz, sondern als Attraktion — werden wiedersehen dürfen. 
Dr. R. Nork -