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Opernwelt 4/1984
Sir Johns kreatives Sparkonzept
Giordanos «Andrea Chénier» an Covent Garden, London
Nachdem die Leitung der Royal Opera Covent Garden in der letzten Zeit das Publikum mehrmals mit zunächst ungekündigten und dann annullierten Inszenierungen enttäuscht hatte, war die Entscheidung Sir John Tooleys, die Kölner Inszenierung von Umberto Giordanos «Andrea Chénier» für London zu übernehmen, sehr zu begrüßen. Und dies um so mehr, als gerade dieses Werk seit 53 Jahren vom Spielplan verschwunden war. Die Einladung an Michael Hampe gab dem Kölner Intendanten die Möglichkeit, seine Regiekonzeption selbst zu realisieren, da er die Regie in Köln wegen einer Verpflichtung an der Scala seinem Mitarbeiter Willy Decker überlassen hatte müssen (siehe «Opernwelt», Juli 1983).

Durch die Übernahme der Kölner Ausstattung, die Ezio Frigerio, William Orlandi und Franca Squarciapino entworfen hatten, konnte Covent Garden viel einsparen. Die Einstudierung der Partitur durch den GMD der «Welsh National Opera» Richard Armstrong, der zum ersten Mal an einer Neuinszenierung in diesem Haus von Anfang an teilnehmen konnte, profitierte von einer hervorragenden Besetzung mit einheimischen Kräften und drei prominenten Gästen. José Carreras in der Titelrolle, Bernd Weikl als sein politischer Rivale und Nebenbuhler, und die versierte Anny Schlemm als Madelon lieferten stimmliche Spitzenleistungen.

Aber auch die britischen Sänger standen ihnen kaum nach. Zu Beispiel die versierte Patricia Johnson als temperamentvolle Gräfin von Coigny und vor allem Rosalind Plowright als ihre Tochter Maddalena. Mit ihrem Debüt in einer neuen Rolle an diesem Haus gelang es ihr, ihre frühere Leistung als Desdemona zu übertreffen.

Sie durchlebte intensiv die Leiden der Maddalena und erzielte einen unvergeßlichen Höhepunkt in dem Schlußduett, als sie mit ihrem Liebhaber zur Guillotine schritt.

Auch die kleineren Partien waren gut besetzt; und der von Nina Walker einstudierte und von Hampe exakt geführte Chor machte einen höchst erfreulichen Eindruck. Die Ovationen des Publikums galten nicht nur den hervorragenden Darstellern, sondern auch dem deutschen Regisseur und der brillanten Leistung des Dirigenten.
Ossia Trilling
UMBERTO GIORDANO: ."ANDREA CHENIER". Premiere am 10. Februar 1984. Mus. Ltg.: Richard Armstrong; Regie: Michael Hampe; Ausstattung: Ezio Frigerio, William Orlandi; Kostüme: Franca Squarciapino; Lichtregie: Robert Bryan; Chöre: Nina Walker. Solisten: Bernd Weikl (Gérard), Rosalind Plowright (Maddalena), Cynthia Buchan (Bersi), Patricia Johnson (Contessa di Coigney), José Carreras (Andrea Chénier), Richard Van AlIan (Mathieu), John Dobson (Incredibile), Jonathan Summers (Roucher), Anny Schlemm (MadeIon), Geoffrey Moses (Dumas), John Gibbs (Fouquier-Tinville), Eric Garrett (Schmidt).