Orpheus 12/1981 |
MESSA DA REQUIEM Giuseppe Verdi |
Herkulessaal — 8. 10. 1981 |
von MANFRED STRAUSS |
Wer süchtig ist nach diesem im Rhetorischen wie
Dramatischen äußerst dankbaren Werk und die besten seiner
Platteneinspielungen hortet, der konnte und mußte beim 2. Symphonie-Konzert
des Bayerischen Rundfunks voll und ganz auf seine Kosten kommen. Der mit
seinen 40 Jahren noch recht junge Neapolitaner RICCARDO MUTI interpretierte
die Totenmesse aus den apokalyptischen Schreckensvisionen des Dies irae
heraus so besessen, so ekstatisch, so brutal an die Nieren und an die
eingeschüchterte Seele gehend, daß es Schluß lang dauerte, bis das Publikum
im befreienden Applaus wieder zu sich und damit zu der Erkenntnis finden
konnte, daß das alles ein konzertanter Durchlauf war und — gottseidank!
—nicht Realität. Denn absolut konträr zu der neuesten Platteneinspielung
unter Zubin Mehta lehrte der italienische Maestro das große Fürchten und das
Bewußtsein, daß vor dem Thron des Rex tremendae nichts, aber auch gar nichts
ungesühnt bleiben werde, wofür er Chor und Orchester des Rundfunks zwang, im
pianissimo wie im forcierten fortissimo schier Unglaubliches zu vollbringen:
der Zornesausbruch eines sehr erzürnten jungen Menschen, der nicht gewillt
ist, die Welt als das hinzunehmen, wozu der Mensch, die „Krone der
Schöpfung", sie gemacht hat. Mitgerissen von diesem interpretatorischen
Weltgefühl zeigten sich aber auch die Solisten. JEWGENJ NESTERENKOS Beitrag
war eine russisch-fahle Büßerstimme, der an manchen Stellen eine
auftrumpfende Sonorität gut getan hätte; JOSE CARRERAS brachte lodernde El
Greco-Töne ein, beim ergreifenden Ingemisco aber auch ausflüchtende Kopftöne;
JESSYE NORMAN beglückte mit ihrem phänomenalen Wechsel zwischen dem
blutvoll-tiefen und dem engelsreinen hohen Register sowie mit hingehauchten
und doch wundervoll artikulierten Piani; AGNES BALTSA kontrastierte dazu mit
einem meditativen, in seiner Herbheit an das Timbre der Maria Callas
erinnernden Alt, an dem es in jedem noch so guten ‚.Requiem“-Ensemble meist
mangelt. Gleich am Beginn der Saison also ein Höhepunkt, der so leicht nicht
wieder zu erreichen sein wird. |
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