Opernwelt 5/1979 |
Salzburg |
Ein Sängerfest |
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Herbert von Karajan, der auch in diesem Jahr mit
der von ihm gewohnten Energie und Konzentration seine Osterfestspiele
leitete, war schon immer ein Meister der Ökonomie. Vor der anstrengenden
großen Aufgabe im nächsten Jahr, der Neuinszenierung von Wagners « Parsifal»,
gönnte er sich eine Erholungspause durch Wiederholung und überreichte als
Ostergeschenk Verdis «Don Carlos», eine Inszenierung, die unter seiner
Leitung bei den Sommerfestspielen Triumphe feiert. Der seit 1975 in Salzburg
umjubelte «Don Carlos» machte Zwischenstation bei den Osterfestspielen,
sozusagen auf dem Weg nach Wien, wo er als Neuinszenierung dargeboten den
Höhepunkt der «Karajan-Wochen» an der Staatsoper bilden wird. Auch in der
alten-neuen Salzburger Umgebung blieb «Don Carlos» ein Fest der großen Sänger
und eines genialen Dirigenten. Denn unter Karajans Leitung erhält Verdis
Orchester eine neue, weil seine ursprüngliche, Funktion — wie bei Muti in der
Münchner «Aida»-Neuinszenierung. Karajan läßt sein herrliches Instrument, die
Berliner Philharmoniker, im Carlos-Drama eine zentrale Rolle spielen. Er
stellt es bis zu den kritischen Grenzsituationen, bis zur Gefährdung der
Sänger, heraus, führt aber Orchester und Solisten auch zum
kammermusikalischen Zusammenspiel zusammen, wie im Abschiedsduett
Elisabeth-Carlos im vierten Akt. Momente, die diesen Festspielen den
Charakter des Festlichen verleihen. Es gibt kaum ein Theater, wo man Verdis
«Don Carlos» auf diesem Standard der musikalischen Interpretation erleben
kann. Eine musikalische Wiedergabe von zwingender Überzeugungskraft, die die
Unbeholfenheit der Regie leicht vergessen, die szenische Interpretation als
quantité negligeable erscheinen läßt.
Der Star des Abends hieß Agnes Baltsa, die ihre Glanzpartie der
Prinzessin Eboli in Salzburg zum ersten Mal gesungen hat. Sie ist eine Eboli
außerordentlichen Formats, eine Prinzessin, deren hochgesteckte Ambitionen
durchaus angemessen erscheinen. Eine königliche Frauengestalt von
leidenschaftlichem, impulsivem Temperament. Die sängerische und
darstellerische Präsenz, mit der Frau Baltsa diese glücklose und verbitterte,
ihrem Schicksal sich nur mit einem letzten, verzweifelten Kraftausbruch
beugende Frau gestaltet, setzt Maßstäbe für diese Partie. Ihre große Arie im
dritten Akt, «O don fatale», gewinnt in der differenzierten, die breite Skala
zwischen Verzweiflung, wildem Aufbegehren und verklärender Erinnerung
durchmessenden Wiedergabe jene Dimension, die Verdi vorgeschwebt haben mag:
Sie wird zum Resümee eines Lebens, zum Psychogramm einer extremen
Gefühlslage. José Carreras ist ein Don Carlos von jugendlichem Überschwang,
der bereit ist für seine Ideale, Liebe und Freundschaft alles herzugeben.
Piero Cappuccilli, einer der größten Verdi-Sänger aller Zeiten, zeichnet als
Posa Edelmut und Noblesse eines spanischen Grande mit dem betörenden Timbre
einer Stimme, die an den edlen, entmaterialisierten Klang eines
Guarneri-Cellos erinnert. Bewundernswert, mit welcher Souveränität Mirella
Freni, diese singuläre Künstlerin, ihr Niveau in der Rolle der Elisabeth seit
Jahren halten kann und welche elementare Herrscherfigur, ein wenig mit
Boris-haften Zügen, Nicolai Ghiaurov als König Philipp präsentiert. Sein
Gegenspieler um die Macht, der Großinquisitor, strahlte mit Jules Bastins
edlen Tönen eher väterliche Würde als gebieterische Strenge und
Unerbittlichkeit aus. Die kleine, aber wichtige Rolle Karls V. sang José van
Dam ohne falsches Pathos. VERDI: «DON CARLOS» Besuchte Vorstellung am 8. April 1979.
Künstlerische Leitung: Herbert von Karajan; Bühnenbild:Günther Schneider-Siemssen;
Kostüme: Georges Wakhevitch. Solisten: Nicolai Ghiaurov (Philipp II.), José
Carreras (Don Carlos), Piero Cappuccilli (Rodrigo), Jules Bastin
(Großinquisitor), Jose van Dam (Karl V.), Mirella Freni (Elisabeth), Agnes
Baltsa (Eboli), Marjon Lambriks (Tebaldo), Walburga Wallner (Gräfin
Aremberg), Horst Nitsche (Graf Lerma), Marjorie Vance (Stimme vom Himmel),
Walter Fink, Serje Kopcák, Alfred Sramek, Chigusa Tomita, KLaus Wallprecht,
Peter Weber (Flandrische Deputierte). |
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