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ORPHEUS, 7/8 - 1981
LUISA MILLER Giuseppe Verdi
Teatro Perez Galdos Premiere: 7.4.1981
Luisa — Angeles Gulin, Rodolfo -- Jose Carreras, Federica - Rosa Ysas, Miller -- Matteo Manuguerra, Walter -  Gwyne Howell, Wurm — Giuseppe Lamazza, Laura - Rosa Delia Martin, Dirigent —Eugenio M. Marco, Inszenierung -- Giuseppe de Tomasi, Chöre — Chano Ramirez
von THEO RÄTSCH
Opernfestspiele in Las Palmas, die nun schon zum vierzehnten Male stattfanden und an denen wieder eine beachtliche Reihe vornehmlich spanischer Sängerprominenz teilnahm, sind alljährlich im März/April nicht nur das kulturelle Ereignis in Las Palmas, sondern so etwas wie eine Art Volksfest Für Einheimische und Touristen, ähnlich wie es im Sommer in Verona der Fall ist.

In einem aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Haus mit seinen drei Rängen wurden von den „Amigos Canarios de la opera“ in eigener Regie, nur mit lokaler Unterstützung, in diesem Jahr sechs Werke je zweimal zur Aufführung gebracht. Die Besetzungen lesen sich wie aus den Jahrbüchern der Wiener Staatsoper oder der Mailänder Scala. 
(cut)
Bei der Beurteilung von Regie und Bühnenbild darf man nicht mit hiesigen Maßstäben ans Werk gehen. Es ist schon erstaunlich genug, was für zwei Aufführungen eines Werks alles in Angriff genommen werden mußte, zumal in Las Palmas ansonsten das ganze Jahr kein Opernbetrieb herrscht und die finanziellen Mittel sehr beschränkt sind.

Sowohl „Manon Lescaut“ wie auch „Luisa Miller“ lebten von den Sängerpersönlichkeiten auf der Bühne und natürlich nicht von ausgefeilter Regie, Personenführung oder gar großzügigen und detailfreudigen Ausstattungen, (cut) Bei „Luisa Miller“ war das szenische Geschehen geschickt in einfache Bilder gesetzt, die mit wenigen Umbauten das jeweilige Milieu zu treffen versuchten.

Für die Inszenierung beider Opern war GIUSEPPE DE TOMASI verantwortlich, der sich in den Dienst der Werke stellte und dem Spieltalent des jeweiligen Künstlers freien Raum ließ, um der Rolle Gewicht und Aussage zu geben. Der Regie macht man das beste Kompliment, wenn man sie musikbezogen und um Verdeutlichung der dramatischen Vorgänge bemüht nennt.

(Manon Lescaut, cut)
... so muß man vor der „Luisa Miller“ die Waffen strecken. Zunächst zum Werk und zur Musik: Das Bessere ist der Feind des Guten. Oder anders: Der späte Verdi steht dem früheren selbst im Weg. Dabei ist das Schiller-Drama „Kabale und Liebe" für eine typisch italienische Belcanto-Tragödie geradezu prädestiniert. Wirkungsstarkes und flüssiges Geschehen ist bei diesem Werk ebenso vorhanden wie stimmliches Profilieren möglich ist. Und letzteres war der Fall, da fünf exzellente Sänger auf der Bühne standen.

In der Titelpartie beeindruckte ANGELES GULIN, eine Verdi-Heroine mit enormer Stimmkraft, die zwar nicht frei von Intonationstrübungen ist, aber tragisches Pathos und souveräne Bewältigung der Rolle ermöglichte. JOSE CARRERAS als Rodolfo war bestens disponiert und konnte seine Prachtstimme mit der gewaltigen, breiten, dunkel glänzenden und herrlich tragenden Mittellage zeigen. Neben prächtiger Phrasierung, sauberen Höhen und perfekter Realisation aller Ausdrucksnuancen war vor allem seine Fähigkeit, allein mit der Stimme einen Charakter und eine Situation zeichnen zu können, bewundernswert. Sein große Arie war das Ereignis des Abends. Seinen imposanten Bariton führte MATTEO MANUGUERRA als Miller vor. Er glänzte in dieser äußerst dankbaren Rolle und erzielte durch kraftvolles Aussingen eine überwältigende Wirkung. GWYNE HOWELL konnte seinen großen Charakterbaß prächtig und eindrucksvoll in der Partie des Walter einsetzen. Auch GIUSEPPE LAMAZZA als Wurm stand seinen berühmten Kollegen durch gute Führung seiner ansprechenden und kräftigen Stimme in nichts nach.

Der Chor war kaum wiederzuerkennen, so diszipliniert und wohlströmend sang er diesmal. Auch das Orchester zeigte sich besser disponiert. EUGENIO M. MARCO gelang eine schwungvolle, energiegeladene Interpretation mit emphatischen lyrischen Ausbrüchen und spannenden Steigerungen. Die stellenweise schon beachtliche kompositorische Substanz des Frühwerks entfaltete Marco farbig, lebendig, dramatisch.
Diese Vorstellung hätte jedem Opernhaus zur Ehre gereicht. Frenetischer, langanhaltender Jubel eines Publikums, das neben den bravourösen Sängerleistungen auch die Wiederentdeckung eines Verdischen Meisterwerks zu feiern schien.