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Opernwelt 1/1984
Traditionell 
«Carmen» in Barcelona
Es war ein gelungener Premierenabend in Barcelonas Gran Teatro del Liceo. Bizets « Carmen», gesungen auf französisch, wurde von einem enthusiastischen Publikum mit Recht bejubelt. Trotzdem ist manches einzuwenden, z. B. gegen die Tradition, die Ernest Girauds nachkomponierte Rezitative an Stelle gesprochener Dialoge — der besonderen Eigenschaft der Gattung «Opéra comique» vorzieht.

Traditionell — im negativen Sinn des Wortes — waren auch Antonello Madau-Diaz‘ Regiekonzeption wie auch das neue, in eigenen Werkstätten gebaute, von Ferruccio Villagrossi entworfene Bühnenbild.

Mit Jelena Obrastzowa als tragischer Heldin und José Carreras als José waren große Namen engagiert. Selten haben die Sänger dieser Rollen den zeitlosen sexuellen Konflikt so eindrucksvoll verkörpert, selten hat eine Darstellerin der Carmen als Verfechterin der Frauenrechte in einer von Männern beherrschten Welt so überzeugend, die Geste des Protests so sympathisch herausgestellt. Die Italienerin Alida Ferrarini fügte sich als Micaela unbeschwert und mit makellosem Französisch in die Inszenierung ein, mit schön timbriertem Sopran. Silvano Carrolis Escamillo war eher statisch als heißblütig.

Der französische Gastdirigent Jacques Delacôte holte schneidende Kontraste vom Symphonieorchester des Gran Teatro und dessen wirkungsvollen Chor heraus; spannungsvoll und ausgeglichen der von Romano Gandolfi einstudierte Chor. Die Kostüme von Fiore aus Mailand wirkten homogen und eindrucksvoll.
Ossia Trilling

BIZET:  CARMEN  Premiere am 6. November 1983. Mus. Ltg.: Jacques Delacôte; Regie:
Antonello Madau-Diaz; Ausstattung: Ferruccio Villagrossi; Choreographie: Assumpta Aguadé;
Chöre: Romano Gandolfi. Solisten: Don José (José Carreras), Silvano Carroli (Escamillo), Enric Serra (Zuniga), Santos Ariño (Morales), Elena Obrastsova (Carmen), Alida Ferrarini (Micaela), Maria Uriz (Frasquita), Cecilia Fondevilla (Mercedes), Vicenç Esteve (Dancairo), Piero de Palma (Remendado) u. a.