Donizettis kaum bekannte Märtyreroper „Poliuto“, die erst nach des
Komponisten Tod 1848 in Neapel uraufgeführt wurde (bei der geplanten
Erstaufführung 1838 war sie von der Zensur verboten worden), konnte man in
zwei konzertanten Aufführungen im Wiener Konzerthaus hören (6.3.), allerdings
nicht in der reinen italienischen Fassung, sondern in einer gekürzten
Mischversion, die auch Musik der französischen Revision („Les Martyrs“)
enthält (ähnlich der Scala-Fassung von 1960 mit Maria Callas und Franco
Corelli).
Star des Abends und beim Publikum war JOSE CARRERAS als Poliuto. Er
sang mit Präsenz und nuanciert, hatte — sieht man von einigen wenigen
forcierten Höhen ab —keine Probleme mit der Partie. KATIA RICCIARELLI
(Paolina) hüllte sich meist in ein fast unhörbares Gesäusel, besitzt kaum
mehr Tiefe; und sang sie einmal aus, hörte man nur abgesungene, geleierte
Töne. Ihre Einsätze waren ungenau, vom Text verstand man kaum etwas. Den
Severo sang JUAN PONS mit nicht sehr dunkel timbriertem Bariton, musikalisch
sauber, aber wenig packend. Als Callistene hörte man LASZLO POLGAR,
ausgeglichen und kantabel. Unauffällig in den Nebenrollen waren HARRIE
PEETERS, PAOLO GAVANELLI und JORGE PITA.
Für den erkrankten Gianandrea Gavazzeni sprang OLEG CAETANI ein,
dirigierte sehr plakativ und wenig rücksichtsvoll für die Sänger, fast nur
auf Lautstärke bedacht. Seine Zeichengebung war präzise, dennoch konnte er
Pannen nicht vermeiden. Die Wiener Symphoniker musizierten nicht immer sehr
sauber. AGNES GROSSMANN hatte die prächtig singende Wiener Singakademie
einstudiert. (Beide Konzerte wurden live für eine Schallplatten-Produktion
mitgeschnitten.)
MICHAEL BLEES —
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