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Oper und Konzert 11/1982
„Traviata“ 
Aus dem Repertoire - Bonn
5.10.82
Die „Traviata“ am 5. Oktober präsentiert einen Zuwachs an dirigentischem Fluidium (Carlo FRANCI) und szenischer Neutralität. Aber der Alfred hatte in Luca Ronconis Inszenierung wegen einer kurzfristigen Umbesetzung in der Premiere ohnehin einen schweren Stand. José CARRERAS, für zwei Vorstellungen als Bonner Ensemblemitglied annonciert, setzt keine korrigierenden Akzente. Er verläßt sich auf seine sympathische, jungmännliche Erscheinung und stellt gestisch so etwas dar wie den Animator eines Rudervereins. Das Publikum übersieht diese schon peinliche Rollenindiferenz und feiert den Sänger Carreras. Der ist allerdings potent bei Stimme und läßt begreifen, was ihn in die Weltklasse katapultierte. Auf der Bühne gelten freilich noch einige andere Kriterien.

Die neue Violetta ist Eugenia MOLDOVEANU, mir durch zwei konzertante Aufführungen der „Luisa Miller“ bekannt. Eine Sopranistin, die sich nicht in ätherischen Lyrismen verliert, sondern eine Rolle mit vokaler Vehemenz aufbricht, nicht unähnlich der Callas, ein Vergleich, der nicht leichtfertig gewählt ist. Das impliziert p- und pp-Beherrschung („Addio“) ebenso wie die dramatische Koloraturattacke („Sempre libera“). Bei der Darstellung gilt es Abstriche zu machen, auch wenn es scheint, daß Frau Moldoveanus Palette reich ist. Mangels anderweitiger visueller Erfahrungen mit der Sängerin soll eine grundsätzliche Bewertung an dieser Stelle unterbleiben. Der Bonner Abend vermittelt als Eindruck: engagiert, aber konventionell. 
Christoph Zimmermann