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Orpheus 7-8/1981
Lucia di Lammermoor, Hamburg, 3. Juni 1981
Mit einer Starbesetzung, die alle Versprechen hielt, die in den illustren Namen lagen, brachte Hamburg fast zum Ende der Spielzeit noch einmal Donizettis „Lucia di Lammermoor“. Daß EDITA GRUBEROVA die Titelpartie mit der ihr eigenen technischen Perfektion bravourös meistern würde, konnte kaum bezweifelt werden. Daß sie die Rolle aber mit einer solchen stimmlichen Wärme und — bei allen Manierismen, die der Belcanto-Gesang verlangt — auch mit solchem psychologisch genau kalkulierten Nuancenreichtum gestalten konnte, macht die eigentliche Meisterleistung aus. Sie sang eine Lucia, zu der man bei aller Bewunderung für die gesangliche Virtuosität die Distanz verlor und bei der man sich von der Wahrhaftigkeit der Darstellung betroffen machen ließ. Ihr Spiel blieb bei aller Intensität noch etwas konventionell, doch beeinträchtigte das in keiner Weise ihre Gesamtinterpretation. Zudem war die Diskrepanz zwischen vollendeter stimmlicher und blasser schauspielerischer Leistung in der Rolle des Edgardo durch JOSÉ CARRERAS erheblich größer. Carreras sang die Partie mit unnachahmlicher Eleganz, betörendem Schmelz und dramatischer Attacke — was tat es da, daß er über gestische Stereotypen nicht hinauskam. VINCENTE SARDINERO hatte es als Enrico nicht ganz leicht, sich gegen den vokalen Glanz seiner Kollegen zu behaupten. Er zog sich, auf seinen kultivierten Bariton gestützt, mit Anstand aus der Affäre. STAFFORD DEAN brachte seinen wunderschön timbrierten, warm klingenden Baß als Normanno wirkungsvoll zur Geltung. Die Träger der Nebenrollen vervollkommneten das positive solistische Bild des Abends, während der von JÜRGEN LUHN einstudierte Chor allzu uneinheitlich sang.

Unter der Leitung von MICHAEL HALASZ begann das Orchester zunächst, sich dröhnend durch die Partitur zu nölen. Nach warnenden Buhs vom Rang nahmen Konzentration und Engagement nach der ersten Pause hörbar zu, so daß der Niveauabfall gegenüber der Bühne nachließ.

Die Aufführung war ein Triumph der Sänger, was sich auch an dem verdienten brausenden Schlußbeifall für Edita Gruberova und Jose Carreras deutlich messen ließ.