Opernwelt 2/1980 |
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Ponchiellis «Gioconda» in Genf |
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Die Uraufführung fand am 8. April 1876 im Teatro
alla Scala in Mailand statt. Auf dem Programmzettel war als Librettist ein
Mann namens Tobia Gorrio vermerkt — man wußte bald, daß sich dahinter Arrigo
Boito versteckte. Acht Jahre zuvor, 1868, war sein «Mefistofele», zu dem er nicht
nur den Text, sondern auch die Musik geschrieben hatte, uraufgeführt worden.
Ein rundes Jahrzehnt nach dem Libretto zu «La Gioconda» wurde er das zu
Verdis «Otello», nochmals vier Jahre danach das zu «Falstaff» schreiben.
Boito hatte bewiesen, daß er ein Librettist von literarischer Feinfühligkeit,
dramaturgischer Originalität und theatralischem Geschick war. Wie konnte es
geschehen, daß er, mit solchen Qualitäten, vor einem Libretto versagte, das
aus einem Drama Victor Hugos («Angelo, Tyrann von Padua») dramaturgische
Ungeschicklichkeiten, eine ebenso unwahrscheinliche wie melodramatische
Opernhandlung herausdestillierte? «La Gioconda» hat, mindestens in Italien
(denn außerhalb Italiens wird das Werk kaum mehr gespielt), sein treues
Publikum doch treu wohl nur um der Musik Ponchiellis willen. Zwar vermag auch
sie melodramatischen Gefährdungen nicht immer ganz auszuweichen, verstimmt
sie durch ein paar «veristische» (programmatische) Effekte, die eher
unbedarft als künstlerisch bewältigt sind. Doch hatte sie Qualitäten in
ausreichendem Maße: Ihr Melos ist ausdrucksstark, farbig, oft sehr originell,
die Harmonik farbig; leidenschaftliche Bewegtheit verbindet sich darin mit
(klang)malerischer Phantasie und Poesie. Ihr «Schweben zwischen Verdi und
Puccini» ist mitunter überaus reizvoll... Ästhetisches Vergnügen Das Grand Théâtre de Genève wagte (freilich:
abgesichert durch praktisch ausverkaufte Abonnementsreihen, eine
Inszenierung. Und dem Wagnis entwuchs eine Aufführung, die aus dem (szenisch)
Unmöglichen wenigstens, und auf eindrückliche Weise, das (musikalisch)
Mögliche machte. Und Peter van Dyks Choreographie des «Stundentanzes» war einer solchen
Bewegungskonzeption restlos adäquat.
Jesus Lopez-Cobos, einem Dirigenten, in dessen Naturell sich
Temperament und Sensibilität, Sinn für die dramatische Geste und feines
Empfinden für poetisch-lyrische Momente verbanden, standen das Orchester
(Orchestre de la Suisse Romande) und der Chor (Choeurs du Grand Théâtre de
Genève, einstudiert von Paul-Andre Gaillard) zwar kaum in allerbester Verfassung
zur Verfügung: Die Intonation schwankte mitunter bedenklich, einzelne Musiker
wirkten unkonzentriert, unaufmerksam, ihre Fehler begannen den Zuhörer bald
einmal zu ärgern; der Chor sang wohl klangvoll, auch klangschön und lebendig,
schleppte aber deutlich und zeigte sich den Zeitmaßen des Dirigenten
widerspenstig. Beide, Orchester und Chor, schufen nicht eigentlich günstige
Voraussetzungen für die Aufführung als Ganzes. Einzigartige Besetzung |
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