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Orpheus 12/1982

 

Tosca  - Wien  - 1982

 

Der erste Abend — „Tosca“ — wurde von Maazel als „Opening Night-Gala“ annonciert. Zwei Akte lang erlebte man jedoch Anti-Musiktheater. MONTSERRAT CABALLE, in Wien noch nie in stimmlicher Höchstform und meist im falschen Fach zu hören, war eine behäbige, altmodische Primadonna, die mit den Legato-Anforderungen der Partie ebensowenig zurande kam wie mit schauspielerischen Minimalerfordernissen. Nicht einmal das lyrische „Gebet“ wurde mit jener Piano-Technik bewältigt, die man von ihren Platten kennt. Dazu JUAN PONS als Scarpia: der Wien-Debütant ließ jede dämonische Ausstrahlung vermissen, hatte für den Scarpia eine zu wenig mächtige Stimme und ließ die emotionalen Eruptionen der „Tosca“-Partitur zur harmlosen Biedermannphrase schrumpfen. Verstärkt wurde diese phlegmatische Gesamtwirkung noch durch NELLO SANTI. Uninspiriert, laut und schleppend begleitete er diese beiden Protagonisten, die ohne den „Retter“ des Abends — JOSE CARRERAS —wohl ein ähnliches Schicksal hätten erdulden müssen wie der Dirigent, der heftigen Unmutsäußerungen ausgesetzt war. Doch der spanische Tenor war in der „Form seines Lebens“; stimmlich blendend disponiert, optisch der Idealfall eines tenoralen Liebhabers, entfesselte er mit der Sternenarie im 3. Akt Ovationen, die auch für das applausfreudige Wiener Publikum selten sind. Zum Unterschied zu den ersten beiden Akten — wo es jeweils magere vier Vorhänge gegeben hatte —raste das Publikum denn auch nach Ende der Vorstellung. Montserrat Caballé nahm es lächelnd hin, daß ihr Partner so ausgiebig gefeiert wurde, und neue Operndirektor konnte von seinem ersten Erfolg sprechen.